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Sport: Gewinnen und gehen

Früher mal, als Jürgen Röber noch bei besserer Laune anzutreffen war, erzählte er stolz, dass er in seiner Dachwohnung am Berliner Gendarmenmarkt jetzt auch einen echten Bechstein hat. Einen Flügel also.

Früher mal, als Jürgen Röber noch bei besserer Laune anzutreffen war, erzählte er stolz, dass er in seiner Dachwohnung am Berliner Gendarmenmarkt jetzt auch einen echten Bechstein hat. Einen Flügel also. Wie schön. Ein Fußballtrainer und sein Flügelspiel. Speziellen Unterricht hat er nie genossen. "Ich glaube aber, dass ich ein sehr gutes musikalisches Empfinden habe", erzählte Röber. "Es gibt Gelegenheiten, da setzte ich mich ran und spiele so ein bisschen für mich."

Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Nun sei mal dahin gestellt, ob Herthas Trainer in Momenten größter Zufriedenheit in die Tasten greift, oder aber um sich den Schmerz von der Seele zu spielen. In der Nacht auf Sonntag muss er am Bechstein gesessen haben. Aus beiden Gründen. Sein Verein hatte den Tabellenführer der Bundesliga, Bayer Leverkusen, mit 2:1 geschlagen. Doch vielleicht ist für Röber schon morgen alles vorbei. Bei Hertha gilt als sicher, dass Röber gehen wird, aber nicht wann und wohin. Manager Dieter Hoeneß und Jürgen Röber wollen sich morgen nach dem Spiel zusammensetzen und die Zukunft besprechen. Gibt es wirklich noch etwas zu besprechen?

Noch ist Jürgen Röber da. Und wie. Es war für seine Mannschaft der siebente Heimsieg in Folge. Das ist Jürgen Röber in ziemlich genau sechs Jahren bei Hertha noch nie widerfahren. Acht Bundesligaspiele lang ist Hertha ungeschlagen - 31 Punkte aus 17 Spielen. Auch das sind Rekorde der Ära Röber. Und jetzt soll alles aus sein.

Zwischenspiel Pressekonferenz: Direkt nach dem Spiel gegen den Herbstmeister spielen sich merkwürdige Szenen ab. Vorn auf dem Podium sitzt Jürgen Röber und beschäftigt sich mit Nebensächlichkeiten. Ein kurzer Plausch mit dem neben ihn sitzenden Pressesprecher des Vereins. Dann gießt sich Röber etwas Kaffee in einen Pappbecher. Etwas Sahne, umrühren, fertig. So wie immer eben. Dann setzt er den Becher an und schlürft einen ersten Schluck ab. Heiß! Auch wie immer. Für Röber ist es das 153. Hertha-Spiel. Doch wie oft wird Röber hier noch sitzen, seinen Kaffee zu bereiten und ein Spiel von Hertha BSC analysieren? Röber weiß, was die Stunde geschlagen hat. Röber trinkt einen weiteren Schluck und lässt seinen Blick durchs Auditorium schweifen. Immer dann, wenn er in ein ihm bekanntes Augenpaar blickt, hält er inne, nickt und lächelt dazu. Was soll er denn auch machen. Soll er den Kopf schütteln über seine Situation? Oder über den Verein, der seinen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängern will, jetzt, wo doch alles prima läuft, die Ergebnisse stimmen. Hertha hat die Großen der Branche aufgemischt. Die Bayern und Bayer geschlagen. Anderswo müssen sie sich an den Kopf fassen, wenn sie sehen, was bei Hertha los ist.

In einer Ecke des Raumes steht Manager Dieter Hoeneß. Auch er trinkt Kaffee. Aber er wird das hier noch sehr oft tun. Hoeneß steht inmitten einer kleinen Gruppe von Journalisten. Gemeinsam verfolgen sie im Fernsehen, wie der FC Bayern in Rostock verliert. Ja, die Bayern. Hoeneß will mit Hertha mal dahin wo die Bayern sind. Ausgerichtet hat Hoeneß den Emporkömmling aus Berlin. Nur der Zeitpunkt des Erfolgs ist unklar. Mit einem neuen Trainer soll es schneller gehen. Röber wird nicht zugetraut, Hertha in absehbarer Zeit zu einer internationalen Größe zu machen. Röbers Kritiker bezweifeln, dass er, der weder als Spieler noch als Trainer einen Titel gewann, innerlich den Sprung vollzogen hat, der von der Mannschaft erwartet wird. Röber holte Hertha aus der Zweiten Liga und hievte sie einmal in die Champions League; zuletzt zweimal in den Uefa-Cup. Das entspricht nicht den Anspruchsdenken macher Herren im Vereinsvorstand. "Es ist doch legitim, dass ein Verein und ein Trainer sich nach sechs Jahren der Zusammenarbeit Gedanken machen wie es weitergehen soll", sagt Röber.

Vor wenigen Tagen hat der Aufsichtsrat abgesegnet, das Hoeneß Verhandlungen in der Trainerfrage führt. Auch mit Röber, vor allem aber mit potenzielle Kandidaten. Namen sind schon genügend im Umlauf. Von Louis van Gaal ist zum Beispiel immer wieder die Rede. Der wurde mal mit Ajax Holländischer und später mit Barcelona Spanischer Meister. Van Gaal spricht Deutsch und wäre zu haben.

Röber wäre auch zu haben. Nur nicht mehr nur für ein Jahr, wie er sagt. Im vergangenen Herbst hatten sich Hoeneß und er auf einen Einjahresvertrag geeinigt. "Einen erneuten Probelauf werde ich nicht machen", sagte Röber.

Bleiben zwei Fragen: Macht Röber bis zum Saisonende weiter, oder aber wird er morgen schon eine Erklärung abgeben? Es ist durchaus denkbar, dass der 47-Jährige nach dem letzten Spiel des Jahres gegen St. Pauli sein Engagement in Berlin für beendet erklärt. "Man muss wissen, was man macht", sagt Röber. Hat er sich schon entschieden?

Bliebe er bis zum Sommer, würde er also seinen Vertrag bis zum letzten Tag erfüllen, ginge er ein nicht gerade kleines Risiko ein. So etwas ist in der Bundesliga eigentlich noch nie gut gegangen, flüsterte Röber nachdenklich. Andererseits hat er die Mannschaft trotz eines katastrophalen Saisonstarts in eine gute Ausgangsposition für die Rückrunde manövriert.

Das sehen auch die Spieler so. "Das, was hier mit Röber gemacht wird, hat er nicht verdient", sagt ein Spieler, der keinen besonderen Wert darauf legt, genannt zu werden. Rob Maas ist da mutiger. Herthas zentraler Mittelfeldspieler gibt zu bedenken: "Ich kann die ganz Diskussion nicht ganz verstehen. Das System mit einer Viererkette hinten und drei Stürmern funktioniert. Jeder weiß, was er zu tun hat. Die Mannschaft hat sich gefunden und ist eingespielt. Respekt dem Trainer." Nach dem Match sind die Spieler ihrem Trainer noch auf dem Rasen um den Hals gefallen. Der lange Kapitän Michael Preetz streichelte ihn sogar den Kopf. Röber trieb es Tränen in die Augen.

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