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Sport: Gewissheit im Ziel

Nach ihrem ersten Marathon weiß Irina Mikitenko, ob sie auf dieser Strecke Profi werden kann

Irina Mikitenko ist schon Tausende von Kilometern auf der Straße gelaufen, aber erst jetzt ist sie einer Angst entkommen. Es ist die Angst vor dem Marathon. Bis zu diesem Jahr hatte sie sich einfach nicht herangetraut an die längste Laufstrecke des olympischen Programms, und selbst als die Entscheidung feststand, sei ihr noch mulmig zumute gewesen. „Ich habe so große Augen bekommen, als ich gesehen habe, wie viel ich trainieren muss, denn fünf Stunden am Tag muss man schon laufen.“

Im Training hat sie die Angst inzwischen abgehängt, geblieben ist nur Respekt. „Ich fühle mich gut vorbereitet“, sagt sie vor ihrem Start am Sonntag. Für ihren ersten Marathon hat sich die Olympiafünfte von 2000 über 5000 Meter einen besonders guten Ort ausgewählt. „Berlin ist ein gutes Pflaster für mich“, sagt die gebürtige Kasachin. Hier hat sie beim Halbmarathon im März ihre persönliche Bestzeit aufgestellt, und ihren deutschen Rekord über 5000 Meter hat ihr seit 1999 noch niemand weggenommen.

Im Juni ist es also losgegangen mit der Marathon-Vorbereitung, 180 bis 190 Kilometer in der Woche. Ihr Mann hat sie oft auf dem Fahrrad begleitet, manchmal auch noch ihre beiden Kinder, in Freigericht bei Frankfurt am Main. Eine Zeit hat sie sich für diesen Sonntag nicht vorgenommen. „Ich freue mich über jede Sekunde, die ich unter 2:30 Stunden laufe“, sagt die 35-Jährige.

Am Sonntag erwartet sie spätestens im Ziel eine Gewissheit: „Ich werde dann wissen, ob ich nur eine Hobbyläuferin bin, oder ob ich in Zukunft auch professionell Marathon laufen kann.“ Wenn sie am Sonntag mit sich selbst zufrieden ist, wird sie auch versuchen, sich für die Olympischen Spiele in Peking zu qualifizieren und jedes Jahr einen guten Marathon zu laufen. Ihre große Rivalin Sabrina Mockenhaupt ist Mikitenko aber auch durch den Wechsel auf die Straße nicht losgeworden. Mockenhaupt läuft eine Woche später ihren ersten Marathon in Köln.

Doch davon will sich Mikitenko nicht beeindrucken lassen, sie läuft jetzt ihr eigenes Rennen. „Ich weiß nicht, wie schnell ich bin, und die anderen Mädels wissen auch nicht, wie schnell ich bin.“ Sich selbst und andere überraschen, das ist erst einmal Mikitenkos Ziel. Sie hofft, dass sie auch nicht die Begegnung mit dem berühmten „Mann mit dem Hammer“ macht, von dem ihr viele erzählt haben, dass er nach Kilometer 30 den Läufern auflauere. „Vielleicht ist es nur ein kleiner Hammer. Ich werde versuchen, gegen ihn zu kämpfen“, sagt Mikitenko.

Es ist auf jeden Fall Zeit, dass sie den Marathon hinter sich bringt. „Mein 13 Jahre alter Sohn hat sich in den vergangenen Monaten richtig verändert“, sagt sie, und bedauert, dass sie davon manchmal nicht viel mitbekommen habe. Er spielt Fußball und hat bisher noch kein einziges Spiel verpasst. „Am Sonntag aber will er nicht zum Spiel gehen, um mich im Fernsehen laufen zu sehen“, sagt Irina Mikitenko. Das kann ihr fast schon wieder Angst machen. Friedhard Teuffel

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