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Sport: Gewonnen in der sechsten Halbzeit

Nach zweimaliger Verlängerung besiegt Deutschland Frankreich 32:31 und trifft im WM-Finale auf Polen

Am Ende eines dramatischen Tages benutzten die deutschen Handballspieler die Sprache der Bilder: Sie stellten sich zum Feiern im Kreis zusammen. Eine bessere Form hätten sie gar nicht finden können, um zu beschreiben, was sie bei dieser Weltmeisterschaft in ihrem Land auszeichnet und vor allem: Warum sie sich nach dem Sieg gegen die Franzosen nun auch den großen Traum vom Endspiel erfüllt haben. Das 32:31 vor 19 000 Zuschauern in der Kölnarena nach zweimaliger Verlängerung übertraf sogar das bisherige Turnier noch einmal an Spannung.

Eine Pantomine war es allerdings nicht, was die deutschen Spieler am Ende aufführten. Denn als die Zuschauer für einen Augenblick ihren ohrenbetäubenden Freudengesang dämpften, nutzte Dominik Klein die Chance und schnappte sich das Hallenmikrofon. „Fritze, du bis der geilste Typ der Welt“, schmetterte er, und die 19 000 stimmten sofort ein in dieses Loblied auf den deutschen Torwart Henning Fritz. Dessen Parade in den Schlussekunden war die letzte und siegbringende Aktion dieses Abends.

Fritz’ Parade war ein kleines Kunststück im Gesamtkunstwerk. Und zu ihm gehört auch dies: Zweimal haben die Deutschen in diesem Turnier gegen Frankreich gewonnen, und Frankreich ist immerhin amtierender Europameister. Im Finale treffen die Deutschen in der Kölnarena auf Polen. Gegen die hatten sie schon in der Vorrunde verloren. Das Endspiel findet am Sonntag statt.

Macht zwei ganze Tage zur Erholung, zur körperlichen, aber auch nervlichen. Der Verlauf des Spiels brachte schließlich selbst den ansonsten so abgeklärten Bundestrainer Heiner Brand aus der Fassung: „Ich muss diese 80 Minuten erst einmal verdauen“, sagte er nur. Sein französischer Kollege Claude Onesta verkraftete diese Niederlage dagegen weniger. Offensichtlich aus Protest gegen die schwedischen Schiedsrichter Hakansson und Nilsson erschien er nicht zur Pressekonferenz. Sein einiziger Kommentar zu einem deutschen Journalisten lautete: „Da gehe ich doch nicht hin.“ Schon nach dem Schlusspfiff hatten er und seine Spieler vielsagend den Schiedsrichtern und den Offiziellen des Weltverbandes gratuliert.

Die deutschen Spieler hatten freilich eine andere Sicht der Dinge. „Es war unsere Kampfkraft, dass wir auch nach den ausgelassenen Chancen immer an unseren Sieg geglaubt haben“, sagte Holger Glandorf. Während er nach dem Spiel redete und redete, lief Christian Zeitz kommentarlos mit einem selbstgemalten Schild in Richtung Kabine. „Suche zwei Karten für das Endspiel“ stand darauf.

Den Humor hatte er wenigstens nicht verloren, denn an diesem großen Tag für den deutschen Handball gehörte er zu den Schwächsten im Team. „Man hat bei einigen Spielern deutliche Verschleißerscheinungen gesehen“, entschuldigte Brand Zeitz ein wenig, aber auch andere wie Pascal Hens oder Andrej Klimovets konnten nicht ihr Bestes zeigen. Gerade Hens vergab einige Torchancen aus guter Position. Immerhin kämpfte er unverdrossen, während andere wie Glandorf die wichtigen Treffer erzielten.

Selbst in 4:6-Unterzahl in der elften Minute gelang dem Team ein Treffer. Und doch gab es zwei Spieler, die alle anderen überragten: Fritz im Tor und Abwehrchef Oliver Roggisch. Sie brachten ihre Bestleistung, das war für den Sieg entscheidend. Allein die Taten von Fritz aufzuzählen, gegen Karabatic, Narcisse oder die Brüder Gille, wäre zu lang. Sein Gegenüber Thierry Omeyer war – wie schon im ersten Spiel – nicht ebenbürtig.

Nach dem gesamten Spielverlauf, bei dem die Führung oft wechselte, und Frankreich beim 12:10 (30.) und 17:15 (47.) zweimal mit zwei Treffern vorn war, war eine dramatische Schlussphase schon zu erahnen. Die Deutschen sorgten jedesmal in den letzten Sekunden für die Zuspitzung. 49 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit traf Markus Baur zum Ausgleich, 42 Sekunden vor Schluss der ersten Verlängerung war es Glandorf. Die Kölnarena schien zu kochen, als es eine Minute vor dem Abpfiff und dem sich ankündigenden Siebenmeterwerfen 31:31 stand. Da kämpfte sich der für Hens gekommene Lars Kaufmann am Kreis durch und wurde strafwurfwürdig behindert. Wieder war es Markus Baur der gegen Omeyer das 32:31 schaffte. Frankreich zog seinen letzten Trumpf, brachte 14 Sekunden vor Schluss für den Torhüter einen siebten Feldspieler. Es nutzte nichts mehr, Henning Fritz hielt den letzten Ball. Die Schlusssirene ging im Jubel unter.

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