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Sport: Gib der Quote Zucker

US-Basketballer Kobe Bryant steht wegen Vergewaltigung vor Gericht – und die Fernsehmacher freuen sich

New York. Der Auftritt dauerte siebeneinhalb Minuten, inklusive Fußweg und Sicherheitskontrolle. Der Angeklagte sagte zwei Worte auf die Frage des Richters, ob er Einwände gegen das Verfahren habe („No, Sir“), dann war der Spuk schon wieder vorbei. Trotzdem schafften es die größten Nachrichtensender des Landes am Mittwoch, den ganzen Tag mit der Berichterstattung vom ersten Auftritt der gefallenen Basketball-Ikone Kobe Bryant zu füllen. Der 24 Jahre alte Flügelspieler der Los Angeles Lakers muss sich in dem Ski-Dörfchen Eagle/Colorado wegen Vergewaltigung einer Hotelangestellten vor Gericht verantworten. Was tatsächlich an jenem Abend des 30. Juni im „Lodge & Spa“ kurz vor Mitternacht vor sich ging, wird noch auf Monate hinaus Stoff für Spekulationen und gegenseitige Anschuldigungen hergeben. Ob die Wahrheit dabei jemals ans Licht kommt, ist ebenso offen wie die Zukunft von Angeklagtem und Anklägerin. Fest steht bislang nur, dass alle anderen an der Affäre prächtig verdienen.

Zu den wenigen, die das zugeben, gehört Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks, Heimatverein des Deutschen Dirk Nowitzki. „Geschäftlich gesehen ist das Ganze großartig für die NBA“, sagte Cuban kürzlich in einem TV-Interview. Das ist Reality-TV. Niemand mag das zugeben, aber die Leute lieben diese Art der Unterhaltung eben.“

Das Dementi aus der Liga-Zentrale folgte prompt. „Jede Unterstellung, die Anklage gegen Bryant wäre zum finanziellen oder werbemäßigen Nutzen der NBA, ist sowohl sachlich falsch als auch irreführend“, ließ Kommissioner David Stern wissen. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

Weichspüler aus der Oberschicht

Einerseits wünschen sich die Funktionäre keine Zustände zurück, wie sie Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre in der NBA herrschten. Prügeleien auf dem Feld waren da an der Tagesordnung, außerhalb der Arenen fielen die Spieler durch ausufernden Drogenkonsum und enge Verbindungen zur Subkultur auf. Erst Stern als neuer Ligen-Chef wandelte mit Hilfe von Lichtgestalten wie Magic Johnson, Larry Bird und schließlich Michael Jordan das Image zum familienfreundlichen und profitablen MultiMillionen-Dollar-Unternehmen. Gleichzeitig stellt jedoch die schwarze Mittel- und Unterschicht weiterhin die wichtigste Zielgruppe für Sponsoren wie Nike oder Adidas dar.

Bei den Street-Kids jedoch galt Kobe Bryant als Weichspüler. Aufgewachsen als Sohn eines Basketball-Millionärs und überdurchschnittlich gebildet, fehlte ihm, was die Marketing-Strategen „street credibilaty“ nennen, die Anerkennung von der Straße. So ist es auch nicht der dreimalige Lakers-Champion Bryant, von dem in der NBA die meisten Trikots verkauft werden, sondern das notorische Enfant terrible der Philadelphia 76ers, Allen Iverson. Somit wäre auch zu erklären, dass Bryants Sponsoren bislang davon abgesehen haben, ihre Verträge zu kündigen. Rund 15 Millionen Dollar soll er im Jahr durch Werbung verdienen. Kurz nach der für die Lakers enttäuschenden vergangenen Saison hatte Bryant einen 40-Millionen-Dollar-Vertrag mit Nike abgeschlossen. Nur Nutella will ihn jetzt vom Etikett der Schokocreme-Gläser verbannen. Aber der Vertrag läuft ohnehin am Jahresende aus.

Bei so viel Gerede über das Business scheint der Fall an sich fast unterzugehen. Dabei droht das Gerichtsverfahren, das sich auf jeden Fall noch über das nächste Jahr hinziehen wird, das Leben der Beteiligten zu zerstören. Das Strafmaß für Bryant beträgt bis zu vier Jahre. Möglicherweise wird die Anklage sogar auf Kidnapping ausgeweitet, weil er das Mädchen am Verlassen seines Hotelzimmers gewaltsam gehindert haben soll. Darauf könne lebenslange Haft stehen. Die 19-jährige Hotelangestellte, die die schweren Vorwürfe erhebt, wird derweil von allen Seiten bedrängt. Die Medien versuchen, jedes Detail aus ihrem Privatleben auszugraben und bieten ihren Freunden hohe Geldsummen. Bryants Verteidiger spielen das unwürdige Spiel mit, weil die Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Anklägerin der wichtigste Teil ihrer Strategie ist.

Die Statistik zeigt, dass Bryants Chancen, am Ende ungeschoren davonzukommen, gar nicht so schlecht sind. Laut Jeff Benedict, Rechtsanwalt und Autor eines Buches über Sportler, die wegen Verbrechen angeklagt werden, liegt die Wahrscheinlichkeit für prominente Athleten, eines Vergehens wie Vergewaltigung angeklagt zu werden, deutlich höher als für Normalbürger. Gleichzeitig ist die Quote der Freisprüche ebenfalls deutlich besser. Dabei gehört es zum gängigen Schema, dass die Sportler den sexuellen Kontakt zugeben, gleichzeitig aber behaupten, er habe im Einvernehmen stattgefunden. Genau so hat es Bryant gemacht. Ob es danach allerdings so schlau war, seiner Frau Vanessa einen vier Millionen Dollar teuren Ring als Versöhnungsgeschenk zu kaufen, darüber streiten die PR-Experten noch.

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