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Grand Prix in Monza: Vettels Traum zerplatzt

In der Formel 1 siegt Rubens Barrichello in Monza vor Jenson Button. Sebastian Vettel büßt mit Platz acht seine Chance auf den Weltmeister-Titel ein.

In Comics werden Träume gern als weiße, flauschige Wolken dargestellt. Über dem Königlichen Park von Monza waren an diesem Sonntag nach dem Rennen keine Wolken mehr zu sehen. Vor allem war die verschwunden, die Sebastian Vettel vor einem Jahr dort hingehängt hatte, als der Deutsche als jüngster Fahrer aller Zeiten ein Formel-1-Rennen gewann und fortan laut vom WM-Titel träumte. Nun, zwölf Monate später und an gleicher Stelle, hat sich Vettels süße Traumwolke aufgelöst, zumindest für dieses Jahr. Beim Großen Preis von Italien kam er in seinem unterlegenen Red Bull beim Doppelsieg des Brawn-Mercedes-Duos Rubens Barrichello und Jenson Button lediglich als Achter ins Ziel – direkt hinter dem BMW-Piloten Nick Heidfeld.

Vier Saisonrennen vor Schluss hat Vettel als WM-Dritter nun 26 Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter Button und darf sich damit keine Hoffnungen mehr auf den Titelgewinn machen. Zwar weigerte er sich beharrlich, von einer Aufgabe zu reden, und behauptete standhaft: „Die Weltmeisterschaft ist noch nicht vorbei.“ Aber natürlich sei das „schon ein bisschen frustrierend“. „Das ist ein Tritt in den Hintern für uns“, räumte Vettel zerknirscht ein. „Einmal nicht zur Stelle und man wird bestraft – es geht ruck, zuck.“ Er habe „unheimlich Probleme mit dem Auto“ gehabt, „der Speed war das ganze Wochenende nicht gut“.

Weil auch sein Teamkollege Mark Webber nach einem Unfall mit BMW-Pilot Robert Kubica ausschied, dürfte die Vergabe der Weltmeisterschaft nun auf eine interne Angelegenheit im Hause Brawn hinauslaufen. Auch Jenson Button hatte eine Vorentscheidung in dieser Hinsicht erkannt: „Sich auf einen Gegner zu konzentrieren ist ein bisschen einfacher als auf drei.“ Dennoch verspricht auch die Konstellation mit nur noch zwei Kandidaten Spannung, weil Barrichello erneut vor Button blieb. Nur 14 Punkte trennen die beiden Stallgefährten noch.

„Es war ein sehr wichtiger Sieg für mich im Hinblick auf die WM“, sagte der strahlende Barrichello. „Ich tue alles, damit es ein guter und gesunder Kampf zwischen uns wird. Und ich freue mich darauf.“ Aber auch Button wirkte zufrieden: „Ich wäre natürlich lieber da, wo Rubens ist. Aber der zweite Platz ist auch gut: Ich habe nur zwei Punkte auf Rubens verloren, aber sieben auf Vettel gewonnen.“

Seinen einen Punkt holte Vettel auch nur, weil der auf Rang drei dahinrasende Weltmeister Lewis Hamilton in der letzten Runde des Rennens einen Unfall baute. Knapp drei Kilometer vor dem Ziel schleuderte er seinen McLaren-Mercedes bei einem Dreher in die Leitplanke. „Ich wollte Button unbedingt noch überholen, aber irgendwas ist schief gegangen“, sagte er später. Sehr zur Freude der Ferrari-Fans übrigens, die ihren Helden Kimi Räikkönen deswegen als Dritten auf dem Podest bejubeln durften.

Das verpasste Adrian Sutil als Vierter um eine halbe Sekunde. Der Deutsche zog mit seinem überraschend schnellen Force India gegen seinen speziellen Freund Räikkönen den Kürzeren und wirkte nach seinen ersten selbst herausgefahrenen WM-Punkten fast ein wenig enttäuscht. „Ich habe vom Podium geträumt“, bekannte er. Immerhin vermied der als Crashpilot verrufene Sutil es diesmal, dass ihn ein Unfall mit dem Finnen in aussichtsreicher Position von seiner ganz persönlichen Wolke riss wie schon häufiger in der Vergangenheit. „Vor dem Zubettgehen habe ich noch mal daran gedacht, was in der Vergangenheit alles mit Kimi schief gelaufen ist. Aber diesmal hat es glücklicherweise nicht gekracht.“

Nur bei seinem letzten Tankstopp wurde es brenzlig: Sutil schlitterte so in die Box, dass er einen seiner eigenen Mechaniker umräumte, der aber unverletzt blieb, und einen Rückspiegel verlor. „Beim zweiten Stopp war ich ein bisschen spät auf der Bremse“, gab Sutil zu. „Ich wusste, dass es meine einzige Chance war, an Kimi vorbeizukommen, da habe ich ein bisschen zu viel gewollt.“ Eineinhalb Sekunden habe er deswegen verloren – die hätten ihm genügt, denn Räikkönens Tankstopp wurde ebenfalls verpatzt. Weil Sutil aber weiterhin nach vorn auf Räikkönen stieren musste, „habe ich auch gar nicht bemerkt, dass ich bei der Aktion einen Spiegel verloren habe“. Timo Glock (Toyota) und Nico Rosberg im Williams mussten ebenfalls selten nach hinten schauen. Sie rollten auf den Plätzen 11 und 16 durchs Ziel.

Rubens Barrichello hatte da schon seine neue Siegergeste präsentiert, die das Abfeuern eines Pfeils mit einem Bogen simulierte. Das sei für seinen vier Jahre alten Sohn, mit dem er immer zusammen Comics schaue, erklärte der Brasilianer. Wer ein bisschen Fantasie mitbrachte, konnte übrigens erkennen, wie dieser Pfeil direkt nach Rennende in die Luft stieg und auf die mickrigen Überreste einer Wolke zuflog, die einmal im Himmel über dem Autodrom von Monza gehangen hatte. Als Sebastian Vettel ins Ziel kam, zerplatzte sie schließlich mit einem leisen Knall. Ob er es mitbekommen hat?

Christian Hönicke[Monza]

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