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Sport: Grieche für immer

Wie Rehhagels Entscheidung in seiner neuen Heimat aufgenommen wird

Wenn die griechischen Hauptnachrichten am späten Samstagabend unterbrochen werden und plötzlich ein frustriert dreinblickendes Gesicht von Franz Beckenbauer erscheint, dann muss etwas wirklich Wichtiges passiert sein. Otto Rehhagel bleibt nach seiner Absage an Franz Beckenbauer griechischer Nationaltrainer. Fast genau eine Woche nach dem sensationellen EM-Triumph haben die fußballverrückten Griechen also wieder einen Grund zur Freude. Fernseh- und Radiosender unterbrachen ihr Programm, die Sonntagszeitungen feierten die Entscheidung des Nationaltrainers: „Er ist ein Grieche für immer“, schrieb „Goal News“.

Dabei konnte Rehhagel eigentlich gar nicht viel falsch machen. „Wenn er in Griechenland bleibt, wird er uns alle zufrieden machen. Aber auch wenn er gehen sollte, werden wir ihn lieben und immer achten“, hatte der griechische Staatspräsident Konstantinos Stefanopoulos am Dienstag gesagt. Bemerkenswert gelassen nahmen die Griechen die Wechseldiskussion um Rehhagel in der vergangenen Woche hin. Als wollten sie sich in ihren Feierlichkeiten nicht stören lassen, wurde zwar hin und wieder die „Bild“-Zeitung zitiert, mehr aber auch nicht. Es schien fast so, als hätten die Griechen nie ernsthaft daran gezweifelt, dass ihr „trelos germanos“, ihr verrückter Deutscher, den bis zum Jahr 2006 gültigen Vertrag mit dem griechischen Fußballverband EPO erfüllen würde.

Dennoch appellierte der konservative griechische Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis noch einmal an den Trainer: „Bleiben Sie bei uns. Ein Ballack macht noch keinen Frühling!“ Die Worte scheinen geholfen zu haben. Bereits seit Freitag haben sich in Athen die Gerüchte gehäuft, dass Rehhagel nach einem langen Telefongespräch mit dem mächtigen Präsidenten des griechischen Verbandes, Vassilis Gagatsis, übereingekommen war, bis zur WM 2006 in Griechenland zu bleiben.

Der erst 44 Jahre alte Gagatsis stand in der vergangenen Woche ohne Unterlass mit dem 65-jährigen Rehhagel in Verbindung. Gagatsis streute geschickt Gerüchte, zum Beispiel, dass Rehhagel seinen Vertrag bis 2008 verlängert habe. Dass die große deutsche Boulevard-Zeitung „Bild“ auf Gagatsis hereinfiel, hat in den griechischen Medien leichte Verwunderung ausgelöst. „Otto Rehhagel hat mir bereits am Mittwoch gesagt, dass er bleiben werde. Deshalb habe ich in den vergangenen Tagen auch ruhig schlafen können“, sagte Gagatsis.

Allgemein wird Rehhagels Bleiben als eine weitere Imageaufwertung für den griechischen Fußball angesehen. Dass man nun in der Lage sei, einen renommierten Trainer für sich zu gewinnen und dass der Deutsche der ehemaligen Fußballgroßmacht Deutschland eine Absage erteilt habe, sei vor vier Wochen noch völlig undenkbar gewesen. „Das sagt doch alles über die derzeitigen Machtverhältnisse im europäischen Fußball aus“, hieß es in einem Kommentar im griechischen Radiosender „Net“.

Torsten Haselbauer[Athen]

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