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Liverpool

© AFP

FC Liverpool: Große Träume in einer kleinen Welt

Der FC Liverpool gastiert am Dienstag bei Hertha BSC. Der Verein hofft auf neue, alte Großtaten, lebt aber in einer Zeit, die längst vergangen ist.

Der große Fußball kommt nach Berlin. Hertha BSC testet im Olympiastadion gegen den FC Liverpool. Gegen einen FC Liverpool, wie er in der Premier League schon seit Jahren nicht mehr aufgelaufen ist. So, wie ihn Rafael Benitez vorgefunden hat, als er vor vier Jahren seinen Job als Trainer an der Anfield Road angetreten hat. Es ist ein FC Liverpool ohne Spanier. Drei Wochen nach dem Wiener Finalsieg über Deutschland weilen die Europameister Pepe Reina, Alvaro Arbeloa, Xabi Alonso und Fernando Torres noch im Regenerationsurlaub. Herthas Kapitän Arne Friedrich ist gestern wieder ins Training eingestiegen, heute sitzt er als Zuschauer auf der Tribüne. Immerhin bleibt ihm ein Wiedersehen mit dem Irrwisch Torres erspart.

Spaniens Triumph bei der EM war irgendwie auch ein Liverpooler Sieg. Nur der FC Valencia stellte mehr Spieler im Aufgebot des neuen Europameisters. Kein Premier-League-Verein wird so sehr von einer Nation dominiert wie der FC Liverpool von Spaniern. Bis zur Europameisterschaft war das eine durch sinnstiftende Verbindung. Hier die begabten, aber bei großen Turnieren notorisch erfolglosen Spanier. Dort einer der großen, alten Klubs der Fußballgeschichte, dessen Fans immer noch von den Erfolgen der Vergangenheit träumen. Seit Jahren schon ist der FC Liverpool in der Premier League auf den vierten Platz abonniert. Das ist nicht schlecht in der stärksten Liga der Welt und entspricht dennoch nicht dem Anspruchsdenken. Dann aber kam der großartige spanische Fußballsommer mit dem Wiener Finalsieg über Deutschland. Und natürlich hoffen sie an der Anfield Road, der Geist der Europameister möge ihre Mannschaft beflügeln zu neuen, alten Großtaten.

Der FC Liverpool definiert seine Ansprüche über die Vergangenheit. Über die 18 englischen Meistertitel, über die Dominanz in den Siebzigern, als die erst von Kevin Keegan und später von Kenny Dalglish angeführte Mannschaft in den roten Leibchen stilbildend war in Europa. Lange her. Die letzte nationale Meisterschaft datiert von 1990, als die erste englische Liga noch First Divison hieß. In der zwei Jahre später gegründeten Premier League spielt Liverpool immer noch eine gute, aber keine dominierende Rolle mehr. So wie auch die Stadt an der Merseyside deutlich an Renommee eingebüßt hat. Arbeitslosigkeit und Kriminalität kennzeichnen das Liverpool des beginnenden dritten Jahrtausends. Die einst prosperierende Handelsmetropole im Norden England aber hat sich eingerichtet in einer Gedankenwelt, die immer noch von den Beatles geprägt wird. Und von den verjährten Erfolgen eines Fußballklubs, der mit jedem Jahr mehr Mühe hat, den Anschluss zur Konkurrenz aus Manchester und London zu halten.

Der FC Liverpool spielt immer noch an der Anfield Road, in einem der letzten echtes Fußballstadien der guten, alten Zeit. Das große Geld aber lässt sich in dem vor 124 Jahren erbauten Gemäuer nicht verdienen. Die amerikanischen Klubbesitzer wollen in ein neues Stadion umziehen, aber nach jahrelangen Querelen ist erst vor ein paar Wochen die Baugenehmigung ergangen. Darunter leidet auch die sportliche Qualität. Gern hätte Rafael Benitez seinen Landsmann David Villa geholt. Der FC Valencia verlangt 38 Millionen Euro für den EM-Torschützenkönig. Kleingeld für das neureiche Chelsea, aber Benitez musste passen.

Dabei sind es gerade seine Verbindungen nach Spanien, denen er seine Machtposition in Anfield verdankt. Den zuvor eher unbedeutenden FC Valencia führte er zu Beginn des Jahrtausends gleich zweimal zur Meisterschaft und machte sich damit interessant für Liverpool. Benitez’ erster Transfer war der des Spaniers Luis Garcia, und weil er gleich in seinem ersten Jahr die Champions League gewann, wähnte sich Liverpools Anhängerschaft schon am Anfang einer neuen Ära. Mit jeder Saison verstärkte der spanische Trainer das spanische Element noch ein bisschen mehr. Zuletzt ging Benitez das Risiko ein, 38 Millionen Euro in den 23-jährigen Fernando Torres zu investieren. Torres war sein Geld wert, er schoss gleich in seiner ersten Saison 33 Tore und dazu das im Finale bei der EM gegen Deutschland. Liverpool aber tritt weiter auf der Stelle. In der Premier League reichte es weit hinter Manchester, Chelsea und Arsenal wieder nur zu Platz vier.

Daran dürfte sich auch in der kommenden Saison wenig ändern. Chelsea etwa hat schon für 30 Millionen Euro die portugiesischen Nationalspieler Bosingwa und Deco gekauft und 100 Millionen für den Brasilianer Kaka geboten. Liverpools bisherige Verstärkungen sind der in Dortmund gescheiterte Schweizer Philipp Degen und Andrea Dossena, ein Italiener aus Udine.

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