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Sport: Hamburger SV: Schwer abgefunden

"Dieser Schritt ist dem Vorstand menschlich sehr schwer gefallen." Mit diesen Worten kommentierte HSV-Vorstandschef Werner Hackmann die erste Trainerentlassung der laufenden Bundesliga-Saison.

"Dieser Schritt ist dem Vorstand menschlich sehr schwer gefallen." Mit diesen Worten kommentierte HSV-Vorstandschef Werner Hackmann die erste Trainerentlassung der laufenden Bundesliga-Saison. Es traf Frank Pagelsdorf. "Nicht eine Minute habe ich an Entlassung gedacht", sagte dieser und fügte hinzu: "Ich hätte den Aufbau der Mannschaft gerne zu 100 Prozent durchgezogen". So sicher war er sich seiner Sache, dass er in der Hansestadt einen Hausbau begonnen hatte.

Die Fans hatten längst die Geduld mit dem "Dicken", wie Pagelsdorf in besseren Zeiten liebevoll genannt wurde, verloren. Ein fußballerisches Konzept war kaum mehr zu erkennen, etliche Führungen wurden vertändelt, weil Pagelsdorf das Team nicht auf taktische Änderungen des Gegners einstellte. Dass Pagelsdorf "total überrascht" war, mag an seiner Unerfahrenheit liegen: Zum ersten Mal traf ihn das für viele seiner Kollegen vertraute Los des Rausschmisses. Es traf ihn nicht allzu hart: 4,1 Millionen Mark Abfindung machen den Schmerz erträglich. Schwer erträglich sind dagegen die Umstände der Entlassung, vor allem Vorstandschef Hackmann machte in dieser Posse nicht gerade eine souveräne Figur. Mitte voriger Woche kündigte er an, er könne an Pagelsdorf nur noch festhalten, wenn er aus den Heimspielen gegen Gladbach und Bremen sechs Punkte hole. Weil es gegen Gladbach nur einer wurde, arrangierten sich die Profis mit einem Trainerwechsel. Doch Hackmann tat das Ultimatum als Erfindung der Presse ab und verkündete: "Pagelsdorf sitzt gegen Bremen auf der Bank."

Am Montag nahm dann der Aufsichtsrat den zaudernden Vorstandschef ins Gebet und ihm schließlich das Heft aus der Hand. Nach der abendlichen Sondersitzung räumte Hackmann ein, dass er letztendlich auf Druck des Aufsichtsrates Pagelsdorf entlassen habe: "Ich habe einsehen müssen, dass es so nicht mehr weitergeht."

Der Trainer mochte sich indes keine Fehler eingestehen, außer einem: "Ich hätte dem Verkauf von Nico Kovac niemals zustimmen dürfen." Weitere Misserfolge hat er für sich unter der Rubrik Schicksal verbucht, so die Last-Minute-Gegentore, von denen eines Schalke die Meisterschaft und eines, das 3:3 der Gladbacher, Pagelsdorf den Job kostete. Doch nicht nur Pagelsdorf hat Fehler gemacht. So fragt man sich heute, ob es im vergangenen Jahr nötig war, ihm eine horrende Abfindung anzubieten. Zwar spielte das Team in der Champions-League, doch gab es schon damals Zweifel an Pagelsdorfs ehrgeizigem Plan, in den nächsten drei Jahren in die europäische Spitze vorzudringen und die Meisterschale nach Hamburg zu holen. Dies sollte mit dem Aufbau einer jungen, erfolgshungrigen Truppe erreicht werden, doch immer öfter ließ Pagelsdorf Profis um die 30 kaufen und vergraulte junge Talente wie Gravesen, Ernst und Grammozis. Nun übernimmt Sportchef Hieronymus die Mannschaft, denn die Wunschkandidaten stehen alle in Lohn und Brot. Kevin Keegan genießt als Ex-HSV-Profi (1977 - 1980) die meisten Sympathien, hat aber einen hoch dotierten Vertrag bei Manchester City. Horst Hrubesch ist beim DFB unter Vertrag. Uwe Rapolder hat als einziger eine Ausstiegsklausel für die erste Liga und brennt auf den Job, doch neben Keegan würde man ihm auch Ivica Osim vorziehen, der Sturm Graz in die zweite Runde der Champions League geführt hat. Der ehemalige Coach der jugoslawischen Nationalelf sagte: "Man braucht doch Zeit, um sich mit der Mannschaft vertraut zu machen." Das klingt nicht nach einer strikten Absage, sondern eher so, als könnte eine passende Summe die Vorbereitungszeit verkürzen.

Joachim Frisch

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