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Karabatic

© AFP

Handball-EM: Lob der Routine

Bei der Handball-EM entscheidet die individuelle Klasse der müden Spieler. Die Franzosen hoffen auf einen bisher einmaligen Coup.

Berlin - Meist läuft Claude Onesta mit verschränkten Armen vor der französischen Wechselbank hin und her. Das höchste der Gefühle ist, dass der Trainer der Equipe Tricolore mal seine Arme hebt und den Schiedsrichtern damit ein Zeitspiel des Gegners signalisieren will, aber ansonsten strahlt der 52-Jährige schon etwas Arroganz aus. An seinen Erfolgen in den neun Jahren mit der französischen Nationalmannschaft gemessen kann das aber auch als überaus großes Selbstbewusstsein angesehen werden. Onesta darf sich auch bei der EM in Österreich mit seinem Stil bestätigt fühlen. Auch ohne einen großen Motivator an der Seitenlinie können die Franzosen vor dem heutigen Halbfinale in Wien gegen Island (14 Uhr/live im DSF) auf einen bisher einmaligen Coup hoffen: Frankreich könnte als erstes Team überhaupt nach Olympiasieg und WM-Titel mit EM-Gold bei allen drei großen Meisterschaften hintereinander triumphieren.

Für TV-Kommentator und Füchse-Manager Bob Hanning wäre der Titel „erneut ein Ergebnis der Klasse einiger Spieler“, die „mehr oder weniger ohne Führung von außen“ agieren. Spielerisch seien die Auftritte eher enttäuschend gewesen, aber Torhüter Thierry Omeyer und die Feldspieler Daniel Narcisse, Bertrand Gille, Didier Dinart und Nikola Karabatic könnten das Problem eben individuell lösen. Auch gegen die Isländer, die Olympiazweiten, deren Trainer Gudmundur Gudmundsson das Abwehrsystem ständig an dem jeweiligen Gegner anpasst? „Wir sind die Favoriten, weil wir mit jeden Spiel besser geworden sind. Und wir können noch etwas drauflegen“, sagt der vor dieser Saison vom deutschen Rekordmeister THW Kiel zu HB Montpellier abgewanderte Karabatic, der Welthandballer von 2007. Dass dies gelingt, daran glauben mittlerweile auch die Medien in Frankreich. Nach anfänglicher Kritik während der EM-Vorrunde titelte „Le Monde“ mittlerweile wenigstens schon: „Es beginnt nach etwas auszuschauen.“

Unübersehbar bleibt, dass der EM-Favorit Frankreich körperlich etwas ausgelaugt erscheint. Dass acht Spiele in zwölf Tagen in Österreich nun noch hinzukommen, kritisiert Karabatic mit drastischen Worten. „Das ist krank. Wir werden weit über die Grenzen unserer Körper gebracht. So etwas wird sich irgendwann rächen“, sagt er. „Wenn der internationale Rahmenspielplan nicht bald verändert wird, dann werden immer mehr Stars ihre Teilnahmen an solchen Turnieren verweigern. Das kann doch nicht im Sinne des Sports und der Fans sein.“

Doch Frankreich ist davon nicht allein betroffen, auch in der zweiten Halbfinalbegegnung zwischen Kroatien und Polen (16.30 Uhr/live im DSF) wird die Belastung sichtbar werden. Aber auch in diesen Teams gibt es jede Menge Stars und international gestählte Handballer, die sich auch ohne Glanz durch in Vor- und Hauptrunde durchgesetzt haben. Manchmal knapp, wie Polen gegen die Deutschen, letztlich hat die Reife den Ausschlag gegeben. Wobei Kroatien mit dem immer noch genialen Regisseur Ivano Balic, dem riesigen Kreisspieler Igor Vori sowie dem über sich hinauswachsenden Mirko Alilovic im Tor gegenüber Polen noch ein Plus haben dürfte.

„Ich wünsche mir zwar ein Finale zwischen Island und Polen“, sagt Bob Hanning, „aber letztlich werden sich wohl Frankreich und Kroatien am Sonntag gegenüberstehen.“ Damit käme es zur Neuauflage des WM-Endspiels von vor einem Jahr in Kroatien, diesmal jedoch ohne einen eindeutigen Favoriten.

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