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Heiliger Schein. Martin Kind geht in Hannover einen Kompromiss ein.

© picture alliance/dpa

Hannover 96 findet eine Lösung im 50+1-Streit: Alte Feinde, neuer Geist

Beim Fußball-Zweitligisten Hannover 96 scheint alles wieder gut, der Klub will kräftig investieren. Doch ein paar Fragen bleiben.

Von David Joram

Wenn alles so wahr und schön wäre, wie es in den einschlägigen Fußballliedern gerne besungen wird, wäre Hannover 96 ein richtig kuscheliges Nest. „Niemals allein, wir gehen Hand in Hand, zusammen sind wir groß und stark wie eine Wand!“, heißen die ersten Zeilen des 96-Klassikers „Alte Liebe“. Allerdings hielten die Führungskräfte der verschiedenen Gremien in den vergangenen Monaten selten Händchen, und das Liebesverhältnis glich jenem zwischen Gerhard Schröder und der SPD.

Am Montagabend aber sollte wieder etwas Herzlichkeit bei den Roten einziehen. Martin Kind, der den Profifußball bei 96 diktiert, war mit jenen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erschienen, die ihn in den vergangenen Monaten und Jahren so hart kritisiert hatten. Sebastian Kramer, seit März der neue Präsident des Hannover 96 e.V., und Ralf Nestler, e.V.-Aufsichtsratschef. Beide hatten mit vielen anderen Mitgliedern dafür gekämpft, dass weiterhin eine Verbindung zwischen Stammverein (e.V.) und Kinds Profifußballgesellschaft bestehen bleibt.

Der e.V. wird finanziell gefördert

Die ganz große Romanze wollte zwar nicht gelingen, immerhin aber präsentierten die beiden zuvor verfeindeten Lager einen gemeinsamen Vertrag, über den Nestler sagte: „Das ist historisch: Die Konflikte, von denen alle immer gesagt haben, die kann man nicht lösen, wurden gelöst.“ Das bereits am Freitag unterzeichnete Papier regelt nun vieles zwischen den Profifußball-Investoren um Martin Kind und dem eigentlichen Stammverein, der kurz vor der Insolvenz gestanden haben soll. Vereinbart worden sind nun eine auf 25 Jahre angelegte finanzielle Förderung zugunsten des e.V., oder die Verteilung der Markenrechte. Letztere sollen in eine „Hannover 96 Markenrechte GmbH“ ausgegliedert werden, an der die Investorenseite (mit 51 Prozent) und e.V. (49) nahezu gleichermaßen beteiligt sind.

Eine Pattsituation herrscht in jenem Gremium, das den Geschäftsführer der Profifußball-Gesellschaft bestimmt, die derzeit von Kind geleitet wird. Je zwei Vertreter des e.V. und der Investorenseite sitzen mit je einer Stimme im Aufsichtsrat. Keine Seite kann also ohne Zustimmung der anderen etwas durchsetzen.

Der e.V. kann Kind Weisungen erteilen

Das widerspricht eigentlich dem Kern der 50+1-Regel, wonach immer der e.V. die Geschäftsführung der Profifußballgesellschaft bestellen darf – und zwar uneingeschränkt, wie es in der DFL-Satzung heißt. Laut e.V.-Präsident Kramer sei das weiter gewährleistet, doch in diesem Punkt widersprach ihm Kind am Montag deutlich. Eine Abberufung der Geschäftsführung sei nur möglich, wenn der Aufsichtsrat dies so entscheide, „und der ist besetzt durch Vertreter der Kapitalseite und des e.V.. Eine Abberufung ist deshalb nicht möglich“, sagte Kind. Theoretisch hat der e.V. allerdings die Möglichkeit, Kind direkte Weisungen zu erteilen. Dies bestätigte am Mittwoch auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Maßgeblich sei, dass der e.V. weiterhin ein „uneingeschränktes Weisungsrecht“ gegenüber der Geschäftsführung habe.

Soweit die Theorie. Wie die Praxis aussieht, falls der e.V. Kind tatsächlich entscheidend in die Parade fahren sollte – theoretisch könnte er ihn sogar als Geschäftsführer entmachten, indem er den paritätisch besetzten Aufsichtsrat ignoriert – ist die andere Frage.

Klar ist, dass Kind als Geldgeber auch für den e.V. kaum zu ersetzen sein dürfte. Kind, der viele Jahre Präsident des e.V. war und ihn an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geführt hat, dürfte daher nahezu unbehelligt weiter walten und schalten.

Und so lange zwischen Kind und dem e.V. eine Konsenspolitik herrscht, wie von Nestler und Kramer erhofft, dürfte bei 96 erst gar nicht die Frage nach einem neuen Geschäftsführer aufkommen. Auch weil Kind nun um die Unterstützung seiner einstigen Opposition weiß, gab er am Montag bereits preis, wie es mit dem Profifußball bei 96 weitergehen soll. „Es gibt drei hannoversche Bürger, die bereit sind, als Gesellschafter zu investieren, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind jetzt erfüllt. Wir werden nun ein Konzept erstellen und Gespräche führen“, kündigte Kind an.

Nach Tagesspiegel-Informationen will 96 Geldgeber finden, die in Summe 80 Millionen Euro in den Klub stecken. Bereits konkrete Angebote soll Karl Gerhold vorgelegt haben, der 1993 die Gesellschaft für Energietechnik (Getec) gründete. Getec dürfte bislang vor allem Handballfans ein Begriff sein, die Halle des Bundesligisten SC Magdeburg ist seit 2011 nach dem Energiedienstleister benannt. Nun will Handballfan Gerhold offenbar auch im deutlich kapitalintensiveren Fußballgeschäft Hand anlegen. Für die neue alte Liebe.

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