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Immerhin noch unentschieden. Herthas Spieler wissen nach dem Abpfiff nicht so recht, was sie mit dem 2:2 gegen Bremen anfangen sollen. Die Fans hingegen hatten dazu eine klare Meinung.

© Reuters

Immer wieder frühe Rückstände: Hertha BSC braucht ein Erweckungserlebnis

Hertha BSC hat mit einer seltsamen Anfangs-Abwesenheit zu kämpfen – das kostet Punkte und Nerven. Und im nächsten Heimspiel kommt Union zum Derby.

Die obligatorische Medienrunde mit dem Trainer von Hertha BSC wurde an diesem Nachspieltags-Sonntag um zehn Minuten nach vorn verlagert. Über die Gründe machte der Klub keine Angaben, was er auch nicht muss. Aber vielleicht wäre das ja auch eine Idee, die der wankende Verein für den kommenden Spieltag in Betracht ziehen sollte. Das Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim für die eigene Mannschaft einfach mal zehn Minuten früher starten zu lassen. Damit sie dann, wenn das Spiel auch für den Gegner offiziell angepfiffen wird, hellwach ist.

Hertha war in den vergangenen drei Spielen am Stück in den Anfangsphasen irgendwie gedanklich nicht anwesend auf dem Rasen. Gegen den 1. FC Köln lag Hertha nach 22 Minuten mit 0:2 hinten, danach gegen Fortuna Düsseldorf nach neun Minuten und jetzt gegen Werder Bremen bereits nach sechs Minuten. Dass in diesen drei Spielen bei insgesamt zehn Gegentoren immerhin noch zwei Unentschieden herausgesprungen sind, liegt wohl an den „Comeback-Qualitäten“, die der Bremer Trainer Florian Kohfeldt den Berlinern nach dem 2:2 vom Samstag attestierte.

Schon gegen Köln und in Düsseldorf lag Hertha früh deutlich zurück

Nun sind solcherlei Qualitäten nicht schlecht im Sport, besser wäre es vermutlich, sie gar nicht erst in Anspruch nehmen zu müssen. Nämlich eine Anfangsphase nicht zu verschlafen, sondern vielleicht selbst mal wieder in Führung zu gehen. Das würde die Chancen auf einen Sieg signifikant erhöhen. So wie zuletzt beim 2:1-Erfolg in Paderborn, der jetzt auch schon Wochen zurückliegt.

„Es ist ein bitterer Schlag ins Gesicht“, sagte Marvin Plattenhardt zu dem erneuten 0:2-Rückstand gegen Bremen. „Eine Erklärung haben wir nicht, sonst würden wir es ja sofort abstellen“, sagte Niklas Stark. „Ob wir nicht wach genug sind oder nicht richtig stehen – ich weiß es nicht“, sagte wiederum Plattenhardt.

Aus anderen Sportarten kennt man verschiedene Rituale, wie sich Athleten selbst in Habachtstellung bringen. Wenn ein Boxer beispielsweise sich kurz vor dem ersten Gong selbst mit ein, zwei leichten Schlägen an die Stirn in Stimmung bringt. Nun müssen das die Fußballer von Hertha nicht nachahmen, aber vielleicht hilft ein Austausch mit der vereinseigenen Boxabteilung.

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Fakt ist, dass es derzeit nicht viele Gewissheiten gibt für Herthas Fußballprofis, mal abgesehen von der Anfangsabwesenheit. Womöglich spielt Angst auch eine Rolle, wie es der Spieler Marius Wolf mutmaßte. „Ich weiß nicht, ob der eine oder andere Angst hat“, sagte er. „Es kommt mir manchmal so vor.“ Von der Hand zu weisen ist das auch für Herthas Trainer nicht. Es sei „ja klar, dass der Kopf da arbeitet“, sagte Alexander Nouri.

Hinter ihm und seiner Mannschaft liegen unruhige, ja teilweise wilde Wochen, die ihren Höhepunkt erfuhren, als Jürgen Klinsmann als Übergangstrainer plötzlich türmte. Aufgewühlt und verunsichert war die Mannschaft schon von dessen Vorgänger Ante Covic hinterlassen worden. Nouri ist nun schon der dritte Trainer in dieser Spielzeit. Jeder Trainer hat seinen eigenen Ansatz der Spielgestaltung. Das führte schon so weit, dass die Spieler in Düsseldorf in der Halbzeitpause selbst das Coaching übernahmen.

Am Ende ist es eine Melange aus vielen Dingen, die nicht funktionieren. Handwerklicher Natur als auch im mentalen Bereich. Noch immer hat Hertha keine eingespielte und widerstandsfähige Stammelf. Nach sieben Änderungen vor einer Woche beließ es Nouri dieses Mal bei fünf. Gegen Bremen wirkte die Mannschaft anfangs wie zusammengewürfelt.

Mal startete Hertha mit einer Dreierkette, respektive „gependelten Fünferkette“ wie Nouri sich ausdrückte. Erst der Umbau auf eine Viererkette brachte Stabilität. Gegen Bremen aber war es genau umgekehrt. Hertha baute nach dem 0:2 von einer Vierer- auf eine Dreierkette zurück, was half. Vor allem das zweite Gegentor war symptomatisch. „Wir haben nicht viele Kontakte gebraucht, um hinter die Linie zu kommen“, sagte der Bremer Kevin Vogt.

„Ich würde mir wünschen, mal nicht mit einem Handicap in ein Spiel zu starten“, hatte Nouri gesagt. Durch den Punktgewinn versöhnte sich die Mannschaft mit ihrem Anhang. Doch beim Gang in die Kurve wurde den Spielern von den Fans nach vielen dürftigen Heimauftritten unmissverständlich entgegengebracht, welche Bedeutung für sie das nächste Heimspiel hat und welche Erwartungen sie daran knüpfen.

Der letzte Heimsieg Herthas reicht in den Dezember des vergangenen Jahres zurück. Es war jenes 1:0 gegen den SC Freiburg. Seit einem Vierteljahr also hat Hertha keines der sechs Heimspiele mehr gewinnen können. Und nun kommt auch noch – zu allem Überfluss, möchte man meinen – der ungeliebte Lokalrivale aus Köpenick ins Olympiastadion. Davor liegt der Wachheitstest bei der TSG Hoffenheim. Oder anders: Hertha braucht endlich ein Erweckungserlebnis.

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