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Raffael hertha

© ddp

Hertha BSC: Der falsche Zehner

Raffael hat Hertha zum Sieg geschossen. Sonst hat er mit seinen prominenten Vorgängern wenig gemein.

Berlin - Er sei ein wenig müde, sagt Raffael zur Begrüßung und lugt unschuldig unter dem leicht hochgeschoben Schirm seiner dunkelblauen Mütze hervor. Der 22 Jahre alte Brasilianer hatte am Samstag in der Nachspielzeit der Nachspielzeit das 1:0-Siegtor für Hertha BSC gegen Bielefeld erzielt und war vor lausiger Kulisse im Olympiastadion der Matchwinner gewesen. Doch statt die folgende Nacht in einschlägigen Lokalen zu durchtanzen und sich so in die launige Galerie seiner feierwütigen Vorgänger einzureihen, ist Raffael etwas anderes auf den Magen geschlagen – die Dopingkontrolle direkt nach Spielschluss. Drei Flaschen Wasser und zwei Flaschen Orangensaft musste er zu sich nehmen, ehe die Prozedur nach einer Stunde für ihn erledigt war. Anschließend sei sein Bedarf an Erfrischungsgetränken jedweder Art gestillt gewesen.

„Richtig ist, dass man sich so etwas erhofft, denn er ist ja kein ganz billiger Spieler“

Nach drei Bundesligaspielen haben die Berliner wieder so etwas wie ein leichtes Versprechen auf bessere Tage in ihren Reihen. Der Sieg über Bielefeld war der zweite binnen einer Woche, und beide Male hat Raffael getroffen. „Richtig ist, dass man sich so etwas erhofft, denn er ist ja kein ganz billiger Spieler“, sagte der erleichtert wirkende Dieter Hoeneß. Herthas Manager hatte auf Drängen von Trainer Lucien Favre hin den Stürmer in der Winterpause vom FC Zürich für rund 4,5 Millionen Euro eingekauft. Raffael ist damit der viertteuerste Spieler in der Hertha-Geschichte. Der hohe Preis hat in der Stadt aber nicht nur Erwartungen geweckt, sondern auch Zweifel aufkommen lassen, inwiefern ein Torjäger der Schweizer Super League (77 Spiele/39 Tore) durchschlagenden Erfolg in der Bundesliga haben kann.

Er kann, sagt Lucien Favre. Sein Lieblingsschüler müsse zwar noch einiges tun dafür, aber er verfüge über die Qualität, dieses Niveau zu erreichen. Anders als seine prominenten Vorgänger aus Brasilien wie Alex Alves oder Marcelinho scheint der zierliche Mann charakterlich klarer strukturiert. Mal abgesehen von einem glitzernder Ring in seinem rechten Ohr hat Raffael so gar nichts Divenhaftes an sich. „Ich weiß, dass die Erwartungen hoch sind“, sagt Raffael, „aber das Tor hat Hertha zum Sieg verholfen und dafür bin ich ja geholt worden.“

Favre: „Er kann Tore vorbereiten und Tore selbst schießen“

Monatelang hat Favre Hoeneß in den Ohren gelegen wegen Raffael. Nach Favres Überzeugung kann Raffael die Mannschaft bei der Umsetzung seiner Version von Fußball voranbringen. Für ein schnelles und direktes Spiel nach vorn bedarf es technisch versierter und gedanklich schneller Spieler. „Er kann Tore vorbereiten und Tore selbst schießen“, sagt Favre, aber „die Fahrt zum Tor“, dürfe für Raffael nicht zu lang sein. Schon nach drei Spielen ist Raffael ein Drehpunkt in Herthas Spiel. „Er spielt zwischen den Linien“, sagt Favre und beschreibt damit Raffaels Grenzgängertum zwischen Mittelfeld und Sturm. „Er ist eine Neuneinhalb.“ Tatsächlich verfügt der Brasilianer über technische Fertigkeiten, die ihn in der Offensive vielseitig verwendbar machen. „Aber je näher ich zum Tor stehe, umso besser“, sagt Raffael.

Sein wahrer Wert für Hertha muss sich noch zeigen. Viel wird davon abhängen, ob er mehr zur Torvorbereitung oder zum Torabschluss benötigt wird. Vor allem im Kreieren von Chancen hat Hertha ein Manko. Zudem hängt einiges davon ab, wie sich Raffaels Zusammenspiel mit Sturmpartner Marko Pantelic entwickelt. „Noch verstehe ich wenig von dem, was er mir zuruft“, sagt Raffael. Allerdings kann er sich auf seine nonverbale Verständigungskunst verlassen. In Zürich war es zwischen ihm und Favre zwei Jahre lang so. „Wichtiger ist, dass er ein intelligenter Spieler ist, der seine Position auf dem Feld versteht“, sagt der Trainer. Und weil auch ihm gerade das treffende Vokabular fehlt, nimmt Favre seine Finger zur Hilfe. Er presst Daumen, Zeige- und Mittelfinger aneinander und vollführt dann eine Bewegung die bedeuten soll, dass dieser junge Mann das gewisse Etwas für ein Fußballspiel hat.

Bei Hertha haben sie Raffael das Trikot mit der Rückennummer 10 gegeben, das einst Marcelinho trug und seit dessen Weggang im Sommer 2006 lange keinen würdigen Nachfolger fand. Auf die Frage, mit welchem Bielefelder er sein Trikot getauscht habe, antwortete Raffael: „Mit keinem.“ Nach der Dopingkontrolle habe er sein Trikot eingepackt und mit nach Hause genommen. „Ich werde es aber mitbringen und wieder zurückgeben.“

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