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Sport: Hertha BSC: Wenn der Begabte abgibt

Der liebe Gott hatte keine ganz so schlechte Idee. Alex Alves ist, seit er denken kann, davon überzeugt, "dass Gott wollte, dass ich als Fußballer auf die Welt komme".

Der liebe Gott hatte keine ganz so schlechte Idee. Alex Alves ist, seit er denken kann, davon überzeugt, "dass Gott wollte, dass ich als Fußballer auf die Welt komme". Irgendwann hatte sich das bis nach Berlin hin zu Dieter Hoeneß herumgesprochen. Inmitten der Aufgeregtheiten rund um das Millennium brachte der Manager von Hertha BSC viele Flugstunden hinter sich, bis er im Hinterland der Copacabana diesen kostbaren jungen Mann davon überzeugt hatte, seine Gabe in den Dienst des Bundesligisten zu stellen. Ausgesprochen günstig war er ja nicht, aber wer was zu bestellen haben will in der Bundesliga, braucht so einen. Zur Not auch für 15 Millionen Mark.

Abschließend ist nicht geklärt, wie sich Jürgen Röber zu den Eingebungen von oberhalb der Grasnarbe verhält. Nun, am Mittwoch hatte der Trainer von Hertha BSC den lange gesperrten und zuletzt auch verletzten Brasilianer an die Seite seines Kapitäns Michael Preetz gestellt. Und noch ehe sich die Gäste aus Bochum so halbwegs auf den flinken Stürmer hatten einstellen können, hatte Alves das Spiel entschieden. Ein Tor, zwei Torvorlagen, 70 Prozent gewonnene Zweikämpfe - es gibt schlechtere Bilanzen. 4:0 hieß es am Ende, zweimal hatte Michael Preetz, einmal Michael Hartmann getroffen. Und: Alves hatte an diesem Abend mit dem gegnerischen Tor auch sein Lächeln wiedergefunden.

Acht Monate lang lebt er in dieser Stadt. Und es waren nicht eben die schönsten in seinem Leben. Gott hatte sich seinerzeit etwas kleinlich gegeben und ihm außer diesem begabten Fußpaar wenig an die Hand gegeben. Weder die deutsche Sprache, noch Pünktlichkeit. Und von einem Handy-Verbot im Mannschaftsbus hatte Alves schon gar nichts gehört. Er kannte den deutschen Fußball nicht, war undiszipliniert und zog sich frustriert zurück. Und dann vermeldete der Boulevard auch noch eine persönliche Beziehungskrise. "Aber", sagt Jürgen Röber heute, "der Alex hat aus diesen Dingen gelernt." Vor allem aber hat Alves gelernt, dass der wichtigste Mann in seinem neuen Leben bei Hertha BSC nicht irgendwo schwebt, sondern im Zweifelsfall immer neben ihm an der Seitenlinie steht. "Seine Schonzeit ist vorbei", hatte Röber im Sommer gesagt und dem Brasilianer immer eingeredet: "Alex, Akzeptanz regelt sich von ganz allein, aber es gibt Spielregeln, die einzuhalten sind." Eine besagt, dass der Einzelne für die Mannschaft zu arbeiten hat. Alves verinnerlicht diese Philosophie scheibchenweise. "Denn wenn die Mannschaft sieht, dass er für sie arbeitet, dann arbeitet sie auch für ihn", sagt Röber. Andererseits hätten seine Mitspieler langsam begriffen, was sie an ihrem Brasilianer haben. Es sind "seine überraschenden Momente" (Röber), mit denen Alves für Hertha so wertvoll werden kann, auch wenn der eine oder andere Spieler seinen Ideen noch gedanklich hinterherhinkt. Auch Röber hat gelernt. Alves soll seine Qualitäten einbringen, sein Temperament ausleben. "Manchmal musst du als Trainer die Hände in die Taschen stecken und ein paar Dinge einfach hinnehmen", sagt Röber.

Der Prozess der Integration sei noch immer nicht abgeschlossen, "sonst hätte er noch zwei, drei Tore mehr gemacht. Aber er ist schon wesentlich weiter", erzählt Michael Preetz, der im Spiel gegen die überforderten Bochumer von seinem Sturmpartner profitierte. Seine lange Sperre und die Verletzung habe man Alves nicht angemerkt. "Ich glaube", sagt Preetz, "er hat langsam eine Einstellung zum Fußball, wie er hier gespielt wird, gefunden." Seit einigen Tagen weiß Alves seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind wieder um sich. Preetz hat gemerkt, dass "der Alex viel lockerer und gelöster ist, mittlerweile spricht er auch ein paar Brocken deutsch. Langsam versteht er, was in der Kabine so gesprochen wird." Gott sei dank, wird sich Alves gedacht haben, bevor er sich zum Mikrofon drehte und sagte: "Heute Tag, okay."

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