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Hertha gewann am Freitagabend durch zwei Tore von Adrian Ramos mit 3:2 gegen Werder Bremen

© dpa

Hertha gewinnt gegen Bremen: Ein Sieg der Geisteshaltung

Jos Luhukay bezeichnet das 3:2 gegen Werder Bremen als "ein Sieg der Mentalität". Hertha hat den Siegeswillen gezeigt, der den Höhenflug der Hinrunde ermöglicht hat.

Am Morgen danach hing immer noch lockerer Nebel über dem Olympiastadion. Doch die Anspannung des nervenaufreibenden 3:2-Sieges gegen Werder Bremen hatte sich gänzlich verzogen, dafür kam vorweihnachtliche Glückseligkeit auf bei Hertha BSC. Eine Gruppe Fans, einige davon mit blau-weißen Zipfelmützen, stimmten am Trainingsplatz ein Ständchen an, auf „Hertha BSC, unsere alte Dame“. Dazu hielt der Chor ein Banner hoch, auf dem stand: „Danke Jungs, für die geile Hinrunde!!!“

Nun ist die Hinrunde ja noch nicht vorbei, ein Spiel in Dortmund fehlt noch. Dennoch bleibt festzuhalten, dass 25 Hinserienpunkte eines Aufsteigers, 16 davon zu Hause, eine Leistung sind, die vielen Hertha-Fans anmuten muss wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Die Sänger hätten aber auch „Danke für das unterhaltsame Heimspiel“ auf ihr Plakat pinseln können, auch das wäre treffend gewesen.

Das sah auch Jos Luhukay mit einem Tag Abstand so. Am Vorabend hatte der Trainer noch gesagt, das Ergebnis stimme ihn zufrieden, aber das Spiel „hat mir zu wenig Spaß gemacht über 90 Minuten“. Zu sehr spukten ihm die Abwehrfehler der ersten Hälfte im Kopf herum, als sich Hertha mit Werder darin überbot, offene Pforten in die eigene Abwehr zu bauen. Am Morgen danach genoss auch er im Rückblick den „Wahnsinn“ des Spiels. „Ohne Fehler fallen keine Tore, für die Fans sind viele Tore gut“, sagte er. Für Hertha war am Ende auch alles gut, weil das Team nach dem Rückstand und dem Ausgleich jeweils schnell antwortete. „Das war ein Sieg der Mentalität“, lobte Luhukay.

Damit war es auch der Sieg des Peter Niemeyer. Die Tore hatte zwar das südamerikanische Duo Adrian Ramos und Ronny erzielt. Aber es war der frühere Kapitän, der mit seiner Einwechslung nach 37 Minuten eine neue, alte Geisteshaltung in Herthas Spiel brachte. „Er hat durch seine Körpersprache das ausgestrahlt, was wir brauchten“, lobte ihn Luhukay.

Nicht nur der Trainer hatte gesehen, dass seine Spieler zuvor mit zu wenig Körpereinsatz in die Zweikämpfe gegangen waren und vieles spielerisch lösen wollten. „Vielleicht haben sie Werders 0:7 gegen Bayern gesehen und waren deshalb anfangs nicht so fokussiert“, mutmaßte Luhukay. Niemeyer dagegen warf sich gleich in jeden Zweikampf und forderte seine Mitspieler wort- und gestenreich auf, es ihm gleichzutun. Das färbte ab.

„Ich stehe für eine Qualität, die ich einbringe“, sagte Niemeyer in deutlich leiserer Tonart am Tag danach. „Und gestern hat die Mannschaft sie gebraucht.“ Diese Qualität, die eher in Kampfgeist und Zweikampfführung angesiedelt ist als in Ballbehandlung und Passstärke, war in den vergangen Jahren noch öfter bei Hertha gefragt. Doch nach dem Aufstieg verlor Niemeyer seine Kapitänsbinde und seinen Stammplatz, weil Luhukay auf andere, beweglichere Spielertypen setze.

Einige Beobachter vermuteten schon, der 30-Jährige würde nun gar nicht mehr gebraucht. Doch obwohl Niemeyer am Freitag erst zu seiner siebten Einwechslung kam, sind seine Qualitäten weiter gefragt. „Er ist ein Dirigent und redet viel, auch mit dem Körper“, lobte ihn Per Skjelbred, einer dieser neuen Spielertypen, der auf der linken Außenbahn seine mittlerweile vierte Position bei Hertha spielte.

Niemeyer steht da eher für Herthas Basistugenden, die Einstellung und den Siegeswillen, ohne die der Höhenflug der Hinrunde nicht denkbar wäre und die gefragt bleiben, wenn es fußballerisch nicht läuft. „Wir sind alle gierig, in der Bundesliga zu bleiben, das ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagte er. Einen Einsatz von Beginn an wollte Niemeyer dennoch nicht einfordern, auch wenn er darauf bestand, nicht in die Schublade des Heißmachers von der Einwechselbank beschränkt zu werden. „Ich habe schon gezeigt, dass ich auch in anderen Schubladen zu Hause bin“, sagte er. Hertha wird weiter auf spielerische Komponenten Wert legen. „Wir haben nie gesagt, dass wir gegen den Abstieg kämpfen“, sagte Luhukay, „sondern dass wir guten Fußball spielen wollen.“ Da haben sich die Berliner weit entwickelt seit Zweitligazeiten. Aber Grundlage bleiben Moral und Einsatzbereitschaft.

Was ohne diese Basis passiert, zeigte John Anthony Brooks. Der Verteidiger war die Gegenfigur zu Niemeyer, nicht nur weil er für ihn vom Platz musste. „John ist nicht in die Zweikämpfe gegangen, ihm fehlte die Körperspannung“, kritisierte Luhukay den 20-Jährigen, „er muss erwachsen werden und sich hinterfragen.“ Ob das der 20-Jährige tut, hätte man ihn gerne gefragt, doch zu Brooks’ Reifeprozess gehört es weiterhin nicht, öffentlich Rede und Antwort zu stehen.

Doch dass Abwehrfehler und individuelle Ausfälle überhaupt so auffallen, spricht umso mehr für Herthas bemerkenswert geschlossene Leistung in dieser Saison, die am Freitagabend sogar vorerst einen Europacupplatz bescherte. Wohin führt Herthas Reise wohl noch? „Erstmal nach Dortmund“, sagte Marcel Ndjeng.

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