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Hertha im Trainingslager: Aufwärts mit Methode

Die Hertha erlebt einen ungeahnten Höhenflug. Eines scheint unstrittig: Der Erfolg ist eng mit dem Trainer verbunden. Wie Lucien Favre die Mannschaft entwickelt.

Berlin - Lucien Favre spurtete nach dem Abpfiff auf das Spielfeld und schnauzte erst einmal Solomon Okoronkwo an. Dieser hatte zwar das 3:1 erzielt, aber nicht geringer war sein Anteil daran, dass es am Ende für Hertha gegen Dortmund noch einmal zittrig wurde. Es fiel noch das Anschlusstor für Dortmund. Hinterher inszenierte Herthas Trainer ein dunkles Bild. „In zwei Minuten ist alles möglich und die Arbeit von 85 Minuten umsonst“, sagte er. Dass der Sieg seine Mannschaft zunächst ans obere Ende der Tabelle spülte, nötigte Favre nur ein mildes Lächeln ab. „Oh, wir haben noch viel zu tun“, sagte der Perfektionist.

Der Schweizer Trainer von Hertha hat seine eigene Idee vom Fußball. Die Spieler sollen schnell denken, schnell passen und viel laufen. Vor allem hat der Spieler zu begreifen, dass er sich in einem Gebilde bewegt, was nur dann stabil ist und erfolgreich funktioniert, wenn sich jeder Einzelne an die Vorgaben hält.

Das war in der Schlussphase gegen Dortmund nicht das Fall. Nach dem 3:1 „waren meine Spieler zu euphorisch. Sie wollten zu individuell auf das 4:1 spielen“, sagte Favre und dachte vorrangig an Okoronkwo. Am Tag danach war Favres Ärger verflogen. Okoronkwo sei aufgedreht gewesen. „Er wollte zu viel, das ist eine Frage der Erfahrung. Er ist noch jung, ich kann das ein bisschen verstehen.“ Aber eben nur ein bisschen. Favre ist detailversessen, ihm schmeckte nicht, dass sein Team nach einer eigentlich beruhigenden Führung die Konzentration verlor. Dadurch gingen Abstimmung und Ordnung verloren – Eckpfeiler seiner Philosophie.

Tatsächlich erreicht der Lernprozess beim Berliner Bundesligisten nach nur sechs Spieltagen eine Art Zwischenhoch. Doch während es Spieler wie Malik Fathi „mal ganz lustig“ finden, ganz oben zu stehen, treibt es Favre zu noch mehr Akribie: „Wir könnten besser sein.“

Fortschritte sind unverkennbar. „Ich probiere, mein Bestes für die Mannschaft zu machen“, sagt Favre bescheiden. Tatsächlich ist sein Wirken mehr. Er verleiht dem Team eine Spielidee mit Regeln und einstudierten Abläufen. Seine Taktikschulung hat sich in den Köpfen der Spieler zu einem gedanklichen Geländer gefügt, an dem sich jeder Spieler orientieren, festhalten und zur Not auch wieder hochziehen kann. Der Rückstand gegen Dortmund „war ein kleiner Nackenschlag, aber der Unterschied zu früher ist, dass wir jetzt zurückkommen: Wir wissen, dass wir das umbiegen können“, sagt Malik Fathi und führt Gründe dafür an. „Wir spielen einfach besser miteinander, es sind Automatismen drin, wir wissen, wie der Mitspieler läuft, wo der Ball hin muss. Das trainieren wir täglich.“ Das sei zwar manchmal trocken, so viel taktische Fortbildung, „aber notwendig“, sagt Fathi und deutet indirekt auf Versäumnisse in der Vergangenheit hin.

Favre hat einen anderen Arbeitsstil als seine Vorgänger. „Er korrigiert uns täglich“, erzählt etwa Pal Dardai. Aus seinen Worten spricht Dankbarkeit. Für die Spieler ist der Anteil des neuen Trainers an den Erfolgen groß. Wie wichtig das methodische Wirken und die Einflussnahme Favres noch sind, zeigt sich schon daran, dass die Mannschaft nach der Halbzeitpause und den Anweisungen Favres meist besser spielt. Das war gegen Stuttgart schon so und nun auch gegen Dortmund. Seine Analyse, seine Korrektur „ist kurz, analytisch und klar“, sagt Fathi. „Und wir als Mannschaft nehmen das an.“ Hertha stand weiter weg vom eigenen Tor und spielte schneller; so bekam die Dortmunder Defensive Probleme. Die Entstehung zum 2:1 durch Lucio war lehrbuchreif. Favre: „Das war Einkontakt-Fußball – bumm, bumm, beng.“

Manager Dieter Hoeneß beobachtet die Entwicklung der Mannschaft wohlwollend: „Wir haben einen Trainer, der dem Team eine Handschrift geben kann – und eine Mannschaft, die das annimmt. Jeder in dieser Mannschaft ist bereit, etwas von diesem Trainer zu lernen.“

Das größte Kompliment bekam Favre gestern von Malik Fathi. Dieser sagte: „Ich hoffe, dass er lange so einen Einfluss auf uns hat.“

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