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Richtungswechsel. Herthas Zustand war besorgniserregend nach dem Abstieg. Jos Luhukay gab den Spielern das Selbstvertrauen zurück. Nach zehn Spielen erst habe die Tabelle Aussagekraft, betonte der Trainer. Sie sagt nun: Hertha gehört zur Zweitligaspitze.

© dapd

Hertha nach zehn Spielen: Das kleine Wunder

Die Bilanz von Hertha-Trainer Jos Luhukay fällt nach zehn Spielen positiv aus. Der Trainer hat dem Verein eine neue Sachlichkeit beschert und die Berliner in der Tabelle in die Aufstiegsregion auf Platz zwei geführt.

Jos Luhukay kommt etwas in Verlegenheit, als er auf den verschossenen Elfmeter von Sandro Wagner angesprochen wird. Der eingewechselte Stürmer hatte beim Gastspiel von Hertha BSC in Bochum in der Nachspielzeit einen Elfmeter verschossen, doch Luhukay übt lächelnd Milde. „Das ist jetzt kein Problem“, sagt Herthas Trainer. „Ob das Spiel jetzt 2:0 oder 3:0 ausgeht – es bleiben drei Punkte.“

Luhukay, der recht früh in der Saison mit einer öffentlichen Wutrede an seine Mannschaft auf sich aufmerksam machte, lebt in diesen Tagen eine Sachlichkeit vor, die sich längst auf die Mannschaft übertragen hat. Unaufgeregt und taktisch diszipliniert, allerdings auch frei von spielerischen Höhepunkten, spulte der Zweitligist aus Berlin in Bochum sein Pensum runter. „Wir können mit der Leistung zufrieden sein“, sagt Luhukay. Der VfL sei ein lästiger Gegner gewesen, so dass im eigenen Spiel nach vorn Geduld gefragt gewesen war. Die Mannschaft hätte seine Vorgaben durchgängig gut umgesetzt. „Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg", sagt der Trainer.

Jos Luhukay hat das Traineramt beim Absteiger im Sommer übernommen. Er fand einen Klub vor, der seit 2009 zwischen den Ligen hin- und herpendelt, der mental am Boden lag, wie es der Niederländer einmal ausdrückte. Nach zehn Spieltagen wolle er eine erste Bilanz ziehen. Nun ist es so weit.

„Wir haben am zweiten Spieltag ein Spiel verloren, aber sind seitdem acht Spiele lang ungeschlagen, haben dabei sechs Mal gewonnen und zweimal unentschieden gespielt – ich bin sehr zufrieden, die Richtung stimmt“, sagt Luhukay. Nach zehn Spieltagen, so Luhukay, besitze eine Tabelle erstmals Aussagekraft. Nun gelte es, die Position auf einem der Aufstiegsplätze zu festigen und bis in die Winterpause zu tragen. Die Berliner sind erster Verfolger vom Tabellenführer Eintracht Braunschweig, der am Samstag 2:0 in Dresden gewann. Hertha fährt am kommenden Samstag zum Spitzenspiel beim Tabellenführer.

Die Herthaner haben sich die gute Ausgangslage weniger erspielt als vielmehr erkämpft. Unlängst bemerkte etwa Peter Niemeyer, dass die Mannschaft erst einmal verinnerlichen musste, dass es im Unterhaus nur über den Kampf gehen kann. Das sei die Basis, erst dann würde die individuelle Qualität zum Tragen kommen.

Tatsächlich unterhält Hertha BSC eine Mannschaft fast unter Erstligabedingungen. Wie vor zwei Jahren, als nach dem Abstieg gleich der Wiederaufstieg gelang. Und auch dieses Mal scheint das Unterfangen realistisch, zumal das fußballerische Niveau in der Liga insgesamt gesunken ist.

Der Zustand, in dem sich der Klub im Sommer befand, war besorgniserregend.

Und dennoch hat Luhukay ein kleines Wunder vollbracht. Der Zustand, in dem sich der Klub im Sommer befand, war besorgniserregend. Der zweite Abstieg bedeutete vor allem, dass der erste von 2010 doch kein Betriebsunfall war, den es eben mal rasch zu reparieren galt. Dabei ist es fast schon nebensächlich, dass sich die wirtschaftlichen Kalamitäten des Vereins während der Präsidentschaft Werner Gegenbauers und dem geschäftsführenden Wirken von Manager Michael Preetz keineswegs verkleinert haben. Für die laufende Zweitligasaison plant Hertha mit einer Unterdeckung von 13 Millionen Euro.

Erschwerend für Luhukay war vielmehr, dass die vergeigte Bundesligasaison zwischen den beiden Abstiegen lange nachwirkte. Die Spieler hatten nach ihren abenteuerlichen Auftritten in der Bundesliga überhaupt kein Selbstvertrauen mehr und die Fans nur noch wenig Lust, ins Stadion zu gehen. Der im Vergleich zur Vorsaison rückläufige Zuschauerzuspruch bei Heimspielen beweist das. Bis heute reagiert der Anhang abwartend. „Langsam kommt das Ver- und Zutrauen zurück“, sagt Luhukay. „Der Abstieg musste erst einmal verkraftet werden, von allen. Aber jetzt haben wir einen Weg gefunden, der zum Erfolg führt.“

Mit seiner Ehrlichkeit, Offen- und Bescheidenheit tut Jos Luhukay dem Klub gut. Der Niederländer ist nicht befallen von Misstrauen, handwerklichen Ungeschicklichkeiten und mancher Unsouveränität, die lange Zeit das Handeln der Klubführung kennzeichnete. Die lässt Luhukay weitgehend frei werkeln und wirken – sie wird wissen warum.

Vor allem auf dem Rasen ist inzwischen eine Handschrift erkennbar. „Eine Mannschaft kann nur als Mannschaft Erfolg haben“, lautet eine der Luhukay’schen Maximen. Das Kollektiv, wie er es nennt, gehe bei ihm über alles. „Das Kollektiv hat sich gefunden, man hat viel füreinander übrig“, sagt Luhukay. Nach einem holprigen Start in die Spielzeit ist über die Erfolge auch das Vertrauen dem Trainer gegenüber gewachsen. Die Spieler spüren, dass der Weg, den der Trainer ihnen weist, sie weiterbringt.

Die „tägliche Arbeit“ des detailversessenen Trainers sei es, die das Team weiterbringe, lobte Torschütze Peer Kluge beim sonnigen Auslaufen am Samstag. Dazu komme der Zusammenhalt. Nach dem verschossenen Elfmeter munterten Mitspieler und Fans Wagner auf. Zum Aufstieg braucht es neben Sachlichkeit manchmal auch emotionale Momente.

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