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Otto Rehhagel steht mit Hertha am Rande des Abgrunds, aber noch ist Rettung möglich.

© dapd

Hertha vor Mainz: Rehhagel muss auch sich selbst überzeugen

Die Bilanz von Otto Rehhagels Wirken in Berlin ist Besorgnis erregend. Trotzdem will der Trainer von Hertha BSC über eigene Zweifel nicht reden, was nicht bedeutet, dass er keine hat. Folgen am Samstag in Mainz Taten?

Als Otto Rehhagel, 73, vor zwanzig Jahren noch mit dem von ihm trainierten SV Werder Bremen das eine oder andere Fußballwunder vollbrachte, hing der FSV Mainz 05 im Amateurfußball fest und Thomas Tuchel wuchs noch kein Bart. Heute nun gastiert der Trainer-Methusalem mit Hertha BSC bei einem gestandenen Bundesligisten aus Rheinhessen, worauf sich ganz besonders Tuchel freut, wie dieser sagte. Thomas Tuchel, 38, ist inzwischen Trainer des Mainzer Vorzeigeprojekts, der sagt, dass Rehhagel mit seinen Bremer Europapokalerfolgen in besonderer Weise zu seinen Jugenderinnerungen zählt. Ja, ja, der „junge Herr Tuchel“, sagt Rehhagel und findet, dass dieser seine Sache bisher gut gemacht habe. Nur sei er sich nicht so sicher, ob Tuchel sich noch freue, wenn er, Rehhagel, da gewesen ist. Sollte Hertha etwa in Mainz gewinnen?

Was soll Herthas Trainer auch sagen? Jetzt, da doch schon beinahe fünf Wochen ins Land gezogen sind, in denen Rehhagel vergeblich versucht hat, Herthas Absturz irgendwie zum Stoppen zu bringen. Von dem Wunsch, einen Umkehrschwung zu initiieren mal ganz zu schweigen. Mit Mainz sind es nur noch acht Spiele. Ein Punkt mindestens muss her, doch das gelingt nur, wenn die Berliner wenigstens kein Gegentor zulassen, falls sie selbst wieder nicht treffen. Aber auch das ist nicht unbedingt eine Stärke der völlig verunsicherten Berliner Mannschaft, weswegen so manchem bei Hertha die Angst ins Gesicht geschrieben steht.

Otto Rehhagel gehört nicht zu denjenigen, aber das fröhliche Zitieren und Reimen in der Öffentlichkeit hat er eingestellt. Die Bilanz seines Wirkens ist – mal abgesehen vom Duselsieg über Bremen – besorgniserregend. Und: Besonders viel Hoffnung, Kraft und Selbstvertrauen strahlt der Trainer diese Tage eben auch nicht aus.

Wenn man Otto Rehhagel in den vergangenen Tagen beobachtet hat, konnte man meinen, dass ihm immer mehr Zweifel gekommen sind, ob Hertha überhaupt noch zu retten ist. Und wenn doch, dann wie? „Ich kann die Tabelle auch lesen“, sagt Rehhagel. Über die eigenen Zweifel will er nicht reden, damit sagt er allerdings nicht, dass er keine hat. „Ich habe genau gewusst, dass ich keine Meistermannschaft übernehme.“ Es sei von Anfang an nur darum gegangen, die Talfahrt, die seit Weihnachten in Berlin Bahn anhält, „irgendwie zu mindern“, wie er sagt, um den Abstieg zu verhindern. Vorangekommen ist er kein Stück.

„Ich denke, dass wir es schaffen können“, sagt Rehhagel plötzlich mit fester Stimme. Ganz so, als wolle er nicht nur seine Zuhörer, sondern müsse er auch sich selbst noch überzeugen. Hertha fehlen ja nicht nur die Punkte, sondern Hertha fehlt momentan jede Aussicht darauf.

Die Mannschaft ist labil und angegriffen von acht Niederlagen in zehn Rückrundenspielen, die Pokalniederlage gegen Mönchengladbach mal außer Acht gelassen. Inzwischen wirkt auch der von Hertha aus dem Ruhestand reaktivierte Rehhagel selbst erfasst von der allgemeinen Verunsicherung. Der 73-Jährige winkt ab und sagt einen Satz aus seiner Einstandsrede als Berliner Rettungstrainer: „Ich habe in meinem Leben nichts mehr zu verlieren.“ Wirklich?

Bislang hat Rehhagel keinen Zugriff auf die taumelnde Hertha bekommen. Im Gegenteil, durch permanente Personal- und Systemwechsel hat der fünfte Saisontrainer der Mannschaft den im Kader noch verbleibenden Rest an Stabilität genommen. Wie will Hertha nur in Mainz bestehen können?

Dass man dort viel Zeit für das Entwickeln von „Matchplänen“ und der Spielanalyse am PC verwendet, lässt einen wie Rehhagel völlig kalt. „Fußball ist kein Computerspiel, man gewinnt kein Spiel am Laptop. Die Spiele werden noch immer auf dem Rasen entschieden.“

Leider will Rehhagel sich zur aktuellen taktischen Ausrichtung und zur personellen Aufstellung für das Spiel in Mainz nicht äußern. Man kann nur hoffen, dass es den Spielern, die es dann zu richten haben, in dieser Angelegenheit anders geht. Nicht, dass auch sie von den Entscheidungen des Trainers wenige Stunden vor Spielbeginn überrascht werden. In einem funktionierenden Gebilde, also in einer Mannschaft, in der es sportlich läuft und die mental auf der Höhe ist, kann man mit dieser Methode sicher gewollte Reizpunkte setzen, bei Hertha dürfte das kontraproduktiv wirken.

Mitten hinein in die Ratlosigkeit streut Rehhagel gern wieder Binsen und andere Weisheiten. So habe er seine Spieler daran erinnert, dass „sie es schon mal besser gemacht haben“. Wenn’s hilft. Oder wie Rehhagel es ausdrückt: „Wir haben ja keine andere Möglichkeit als das nächste Spiel.“

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