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Fliegender Norweger. Herthas Nationaltorhüter Rune Jarstein in Aktion.

© dpa

Herthas Auswärtsspiel bei RB Leipzig: Rune vor dem Sturm

Torhüter Jarstein ist eine der großen Konstanten bei Hertha BSC - dabei war Trainer Pal Dardai zunächst gar nicht so begeistert vom norwegischen Nationalkeeper.

Hin und wieder kommt bei Pal Dardai der Hang zum Übersinnlichen durch. Dem Trainer von Hertha BSC genügt dann ein kurzer Blick in die Augen seines Stürmers, Sechsers oder Innenverteidigers, um zu wissen: Der bringt es heute – oder eben nicht. Dardai hat diese Geschichte oft erzählt, ebenso hat er immer wieder betont, wie wichtig ihm das Thema Körpersprache ist und dass er daraus regelmäßig Erkenntnisse für etwaige Startformationen und Wechseloptionen ableitet. Bislang konnte sich der Bauchmensch Dardai in seinen 1047 Tagen als Cheftrainer des Fußball-Bundesligisten auch meist auf sein Bauchgefühl verlassen, wenngleich es mit so manch unpopulärer Entscheidung verbunden war.

In einem Fall lag er allerdings mächtig daneben: bei der ersten groben Einschätzung seines heutigen Stammtorhüters, bei Rune Jarstein. „Als wir damals angefangen haben zu arbeiten, hätte ich ihm eine solche Entwicklung ehrlich gesagt nicht zugetraut nach den ersten zwei, drei Wochen“, erzählt Dardai. „Wie sich Rune hier präsentiert hat, wie er zum Training gekommen ist, seine ganze Körpersprache …“ Dardai beendete den Satz lieber nicht, sonst hätte er sich womöglich um Kopf und Kragen geredet. Begeistert war er seinerzeit jedenfalls nicht, das lässt sich mit Gewissheit sagen.

In Leipzig wird Jarstein alle Hände voll zu tun haben

Knapp drei Jahre später, im Winter 2017, hat sich der Wind ordentlich gedreht: Wenn die Berliner heute im Sonntagabend-Spiel gegen RB Leipzig die Bundesliga-Hinrunde beenden (18 Uhr, live bei Sky), hängen die Hoffnungen auf eine Überraschung beim Tabellendritten nicht zuletzt mit der Person Rune Jarstein zusammen. „Wenn wir das letzte Spiel gut abschließen, werde ich Rune auch mal richtig loben“, sagt Dardai.

Angesichts der konstant starken Leistungen im Kalenderjahr 2017 stehen die Chancen auf ein Extra-Lob gut. In den letzten beiden Punktspielen gegen Augsburg (1:1) und Hannover (3:1) war Jarstein jeweils bester Berliner auf dem Feld, ohne die Paraden des 33-Jährigen wäre die Mannschaft mit deutlich weniger Punkten und einem deutlich schlechteren Gefühl in die Weihnachtsfeiertage gegangen. „Jetzt haben wir 21 Punkte und liegen damit in dem Korridor, den wir angepeilt haben“, sagt Manager Michael Preetz.

Dafür dürfen sich die Verantwortlichen im Verein indirekt auch bei Zsolt Petry bedanken, dem ungarischen Torwarttrainer, den Dardai in einer seiner ersten Amtshandlungen installierte. Petry ist Jarsteins großer Fürsprecher, ohne ihn hätte es den in der Saison 2015/16 vollzogenen Wechsel im Hertha-Tor von Thomas Kraft auf eben Jarstein wohl nicht gegeben. „Zsolt ist damals zu mir gekommen und hat gesagt, dass er großes Potenzial bei Rune sieht“, sagt Dardai. Vor allem im fußballerischen Bereich hat Jarstein gegenüber seinen Mitbewerbern Vorteile. „Spielverlagerung, Spielaufbau“, sagt sein Trainer, „Rune macht das überragend, er ist unser Libero.“ Bei seinem Vorgänger zuckten die Fans in der Ostkurve noch regelmäßig zusammen, wenn ein Ball zu ihm zurückgespielt wurde, auch bei scharfen Flanken und Eckbällen hatte Kraft so seine Schwächen. Gerade in diesen Bereichen hat Jarstein den Berlinern Sicherheit verliehen. „Wenn er im Tor steht, bin ich sehr ruhig“, sagt Dardai, „als Trainer gibt es ja nichts Schlimmeres, als wenn ein Schuss aufs Tor kommt, und man hat das Gefühl: Das kann jetzt unglücklich laufen.“

"Wenn Rune im Tor steht, bin ich sehr ruhig", sagt Trainer Dardai

Rein statistisch sind Jarsteins Werte nach der Hinrunde zwar nicht ganz so stark wie vor einem Jahr; damals hatte er nur 19 Gegentreffer kassiert, vor dem abschließenden Spiel gegen traditionell offensivstarke Leipziger sind es bereits 23. Das hat allerdings auch mit der modifizierten Spielweise seiner Vorderleute zu tun. „Wir haben uns für dieses Jahr vorgenommen, ein bisschen mutiger und offensiver zu spielen und mehr Tore zu schießen“, sagt Manager Preetz, „das geht halt manchmal auf Kosten der defensiven Stabilität.“

Pal Dardai hat dieser Tage übrigens gesondert darauf hingewiesen, dass Hertha BSC unter seiner Verantwortung bislang noch keine richtig große Überraschung – ein Sieg gegen Leipzig zum Beispiel – gelungen ist. „Vielleicht schaffen wir das jetzt ja endlich mal“, sagt er. Dafür werden sie auch einen starken Rune Jarstein brauchen. Dardai weiß schließlich wie kein Zweiter, dass der Norweger sehr wohl für Überraschungen gut ist.

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