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Sport: Heute ein Held

Vorige Woche war er noch der Trottel – jetzt hat Bartosz Karwan ein wichtiges Tor für Hertha geschossen

Nikosia. Das Charterflugzeug stand schon auf dem Rollfeld bereit, draußen, auf dem Flughafen von Larnaka. Drinnen, in der Abfertigungshalle, stand Hans-Georg Felder, der Sprecher des Fußball–Bundesligisten Hertha BSC. „Macht schnell, okay? Zwei, drei Fragen nur“, sagte Felder. „Wir wollen hier weg.“ Es war spät geworden, und die Angestellten von Hertha wollten nach Berlin zurück.

Vor dem Schalter des Flugsteigs stand Bartosz Karwan, umringt von Journalisten. Der polnische Fußballprofi war an diesem Abend in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Es war ein seltenes Bild. Seit vier Monaten steht der 26-Jährige in Berlin unter Vertrag. Aber wer hatte sich in dieser Zeit schon ernsthaft für ihn interessiert? Karwan war der stille Pole gewesen, der Außenseiter. Nachdem er aber vor einer Woche im Spiel gegen Leverkusen sein Trikot in der Kabine vergessen hatte und deshalb nicht eingewechselt werden konnte, bekam er vom Boulevard einen weiteren Namen: Karwan war jetzt der „Trikot-Trottel“.

Am Donnerstagnachmittag haben sich die Dinge verschoben. Karwan erzielte in der Nachspielzeit des Uefa-Cup-Hinspiels bei Apoel Nikosia auf Zypern das entscheidene Tor. Ihm war jene Tat gelungen, zu der seine Kollegen eineinhalb Stunden nicht in der Lage waren. Plötzlich war Karwan der Held.

Nun stand er da, im Mittelpunkt. Herthas Geschäftsstellenleiter Matthias Huber war herbeibeordert worden. Huber versteht ein paar Brocken Polnisch. „Ich bin sehr glücklich“, ließ Karwan mitteilen. Und: „Ich freue mich, dass ich ein Tor erzielt habe.“ Was sollte er schon groß erzählen? Sein Gesichtsausdruck sagte mehr. Karwan lächelte.

Dass die „Frankfurter Rundschau“ aus Karwan Karawan machte, ist angesichts des bescheidenen Bekanntheitsgrades des Mannes fast noch zu entschuldigen. Selbst in Berlin hatte bisher kaum jemand von diesem Mann Notiz genommen. Es war schließlich nicht einmal bekannt, dass sich Karwan irgendwie seinen Kollegen mitteilen kann. Ein paar Worte Deutsch könne er, auch Englisch, ist zu hören. Für ein lockeres Gespräch in der Kabine aber reicht das wohl kaum.

In Larnaka tauchte neben Geschäftsstellenleiter Huber auch Robert Abramczyk auf. Der Pole ist bei Hertha als Zeugwart angestellt. „Der Bartosz ist ein ruhiger Typ“, sagt er. „Der ist ein sehr freundlicher Mensch.“ Neulich hat der Zeugwart dem Fußballer beim Möbelkauf geholfen. „Der Bartosz ist echt okay“, sagt er. Doch die Integration läuft nicht gut. Karwan wirkte bisher nicht nur auf dem Platz wie ein Fremder. Als er nun in Nikosia das Tor erzielte, bedankte sich Manager Dieter Hoeneß in der Kabine bei ihm. „Vielleicht ist so ein Tor die Initialzündung für Bartosz“, sagt er. „Schlimmer als die vergangenen Tage kann es kaum werden.“

Hertha BSC hat für Karwan eine halbe Million Euro an Legia Warschau überwiesen. Karwan war polnischer Nationalspieler. Nur zwischen Warschau und Berlin muss sein Selbstvertrauen verloren gegangen sein. Vier Monate war Karwan in Berlin ein Mitläufer, vier Tage ein Trottel. Nun ist er ein Held.

In Nikosia durfte Karwan 20 Minuten vor Abpfiff für Roberto Pinto aufs Feld. „Ich habe die Trikot-Geschichte immer im Kopf. Sie tut mir sehr Leid, aber sie ist nun einmal geschehen“, sagt er. „Ich werde mein Trikot nicht noch einmal vergessen.“ Trainer Stevens hat sich über Karwans Treffer gefreut. Nicht nur, weil das Tor seiner Mannschaft ein gutes Ergebnis für das Rückspiel gesichert hat. Sondern auch, weil er Karwan jetzt vielleicht nicht mehr ständig in Schutz nehmen muss. Karwan ist näher an die Mannschaft gerückt. Er muss nun zeigen, dass er das Potenzial hat, an ihr dranzubleiben. „Ich hoffe, dass der Knoten bei Bartosz geplatzt ist“, sagt Stevens.

Am Sonntag muss Hertha BSC beim VfL Bochum ran. Ob Karwan spielen wird, verrät Stevens nicht. Er hat sich auf Zypern zumindest empfohlen, und das „nicht nur durch das Tor“, sagt Stevens. „Bartosz hat auf der rechten Seite gut gearbeitet. Das Tor macht ihn nicht besser oder schlechter. Er hat Chancen herausgespielt – das spricht für ihn.“

André Görke

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