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Sport: Hicham El Guerrouj: Es läuft wieder

Das Foto in seinem Wohnzimmer ist verschwunden. "Wenn ich in mein Zimmer komme, dann möchte ich nicht mehr daran erinnert werden", sagt Hicham El Guerrouj.

Das Foto in seinem Wohnzimmer ist verschwunden. "Wenn ich in mein Zimmer komme, dann möchte ich nicht mehr daran erinnert werden", sagt Hicham El Guerrouj. Jenes Foto zeigte den marokkanischen Weltrekordler über 1500 m, die Meile und 2000 m, wie er seine schwärzeste Stunde erlebte: Im olympischen 1500-m-Finale von Atlanta war er über das Bein seines damals schärfsten Konkurrenten Noureddine Morceli (Algerien) gestolpert. Danach musste er vom damaligen marokkanischen König Hassan II. persönlich getröstet werden, um wieder auf die Beine zu kommen. Fortan war jenes Foto knapp vier Jahre lang die große Motivation für Hicham El Guerrouj, es besser zu machen. Doch nach Sydney gab es neues Foto: Es zeigte, wie der Kenianer Noah Ngeny knapp vor ihm ins Ziel lief. Für El Guerrouj war eine Welt zusammengebrochen. Zwischen den Spielen und schon vor Atlanta hatte er seine Strecke dominiert. Von 46 Rennen über 1500 m verlor er nur zwei - die olympischen Finals. "Ich konnte die schlechten Souvenirs nicht mehr sehen, deswegen gibt es sie nicht mehr."

"Der Wiederanfang nach Sydney war sehr schwierig. Ich war psychisch am Boden, aber meine Familie, meine Freunde und mein Trainer haben mir sehr geholfen", erzählt der 26-jährige Marokkaner. "Es war so schwer, dass ich an manchen Tagen gar nicht zum Training gegangen bin." Erst nach gut drei Monaten hatte er sich erholt. "Anfang Januar fühlte ich, dass meine Form langsam zurückkommt, und dann war auch meine Motivation wieder da", sagt El Guerrouj, der vor der Hallen-WM nur zwei Rennen gelaufen war. In Gent hatte er die zwei Meilen gewonnen und in Liévin die 1500 m, bevor er nun erstmals über 3000 m zur Goldmedaille lief. "Für mich zählte hier nur der WM-Titel. Das größte Problem war die psychologische Last, der Welt zu zeigen, dass Hicham El Guerrouj noch lebt", sagt der Marokkaner, der ebenso wie die anderen Leichtathleten seines Landes von der Förderung des Königshauses profitiert. "Der neue König unterstützt uns genauso wie der alte", hatte Aziz Daouda, Manager der marokkanischen Läufer, über König Mohammed VI. gesagt und hinzugefügt: "Wir haben in Marokko keine Sponsoren für die Leichtathletik, dafür haben wir den König."

Mit seinen fünf WM-Siegen und einer Reihe von Weltrekorden sowie etlichen Grand-Prix-Erfolgen dürfte Hicham El Guerrouj längst ein Multimillionär sein. Doch trotzdem hat er noch nicht genug. In einem Interview sagte der marokkanische Volksheld, den offenbar nur jene Landsleute nicht verehren, denen der König das Land weggenommen hat, um es seinem laufenden Star zu schenken: "Ich bin nicht zufrieden damit, dass die IAAF das Preisgeld für die Sieger bei der Hallen-WM reduziert hat. Wenn sich daran nichts ändert, werde ich in Zukunft hier nicht mehr starten." Es geht um 10 000 Dollar, für El Guerrouj also eine Art Trinkgeld. Der Weltverband hatte die Siegprämie für Platz eins von 50 000 auf 40 000 Dollar reduziert und dafür erstmals auch für die Ränge vier bis sechs Gelder ausgeschüttet. Diese Plätze liegen freilich außerhalb der Vorstellungskraft eines Hicham El Guerrouj.

Weil das für ihn wertlose Silber von Sydney nicht die letzte Medaille über 1500 m sein soll, hat Marokkos Läuferstar seine Pläne geändert. "Bei der WM in Edmonton will ich noch einmal über 1500 Meter antreten", sagt El Guerrouj. Danach will er in Zürich den 5000-m-Weltrekord von Haile Gebrselassie (Äthiopien/12:39,36) brechen. "Das wird dann auch meine Strecke in Athen 2004 sein." Insofern hätten die olympischen Erinnerungsfotos von den 1500-m-Rennen sowieso keinen Wert mehr.

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