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Ächz. Andy Murray in der Pause mit einem Kälteschal.

© Reuters

Hitze bei den Australian Open: Nach der Hölle die Eiszeit

Viele Tennisprofis beklagen in Melbourne, dass die Veranstalter zu spät auf die brutale Hitze bei den Australian Open reagiert haben. Ein Spieler hatte sogar Angst, er könne bei den Rekordtemperaturen sterben.

Melbourne - Roger Federer hatte kaum geschwitzt bei seinem lockeren Einzug in die dritte Runde der Australian Open. Und das, obwohl am Donnerstag über der Melbourner Tennisanlage im Süden des Bundesstaates Victoria Temperaturen bis zu 43,4 Grad Celsius gemessen wurden. Der Schweizer Tennisprofi jedoch hatte Glück und durfte seine Partie unter dem geschlossenen Dach in der wohlklimatisierten Hisense-Arena spielen. Kein Wunder also, dass er nach dem zügigen 6:2, 6:1 und 7:6-Sieg über Blaz Kavcic entspannt sagte: „Das waren sehr angenehme Bedingungen.“ Doch bei den meisten seiner Kollegen ist die Stimmung inzwischen auf dem Siedepunkt angekommen. Der dritte Tag der Hitzewelle über Melbourne hat die Gemüter vieler Spieler endgültig zum Kochen gebracht.

„Es war einfach die Hölle da draußen“, hatte Florian Mayer am Mittwoch nach seinem dreistündigen Fünfsatzmarathon in der Gluthitze konstatiert. Und tatsächlich könnte es im Hades wohl kaum heißer sein als derzeit in der australischen Metropole. Tage mit 40 Grad und mehr sind hier nicht selten, eine Serie von vier Tagen und Nächten gab es dagegen seit hundert Jahren nicht mehr. Schon morgens um 8 Uhr zeigte das Thermometer 36 Grad an. Seit Dienstag ächzt der Melbourne Park unter den brutalen Temperaturen, doch erst gestern um kurz vor 14 Uhr Ortszeit hatten die Organisatoren ein Einsehen: Die Turnierleitung stoppte bei 42 Grad den Spielbetrieb für vier Stunden. Und das erstmals seit 2009 wieder. Die sogenannte „Extreme Heat Policy“-Regel (EHP) hatte gegriffen – zu spät, wie von etlichen Profis gemurrt wurde.

Sie hatten kein Verständnis dafür, dass nicht schon in den Tagen zuvor die Begegnungen auf den Außenplätzen während der heißesten Phasen ausgesetzt und jene in den Arenen unter geschlossenem Dach fortgesetzt wurden, wie gestern geschehen. Die Krux an der EHP ist der komplizierte WBGT-Faktor (Wet Bulb Globe Temperature), der sich aus der Temperatur, der UV-Strahlung, dem Wind und der Luftfeuchtigkeit errechnet. Und offenbar die mangelnde Informationspolitik der Organisatoren. Die Lage sei unübersichtlich. „Niemand weiß hier, was das Limit ist“, monierte die Russin Maria Scharapowa, die ihr erfolgreiches Zweitrundenmatch dreieinhalb Stunden in der Mittagshitze bestreiten musste, bevor die EHP einsetzte. Der Kroate Ivan Dodig hatte tags zuvor seine Partie unter Krämpfen aufgeben müssen und anschließend betont: „Ich habe daran gedacht, dass ich in der Hitze sterben könnte.“ Dennoch verteidigte Turnierdirektor Craig Tiley das bisherige Vorgehen. Man habe rechtzeitig reagiert und auch im Sinne der Fairness für alle Spieler gehandelt. Doch an faire Bedingungen glaubt hier kaum jemand mehr. Jene, die sich nassgeschwitzt, ausgelaugt und mit qualmenden Socken nach der Hitzetortur in die Umkleide zurückgeschleppt hatten, werden zwar wie die Rückkehrer einer Himalaya-Expedition gefeiert. Aber wie schnell sie bis zur nächsten Partie regenerieren können, ist dagegen offen.

Auch die Zuschauer auf den Tribünen leiden. Wo sonst die Schlachtenbummler aus aller Welt bunt bemalt und lustig kostümiert für Partystimmung sorgen, ist es nun seltsam still auf der Anlage. Es fehlt die Energie für alles. Wer kann, sucht sich irgendwie ein Fleckchen Schatten. Und selbst da fühlt es sich an, als würde man die Luft aus einem Haartrockner einatmen. „Man schmilzt so vor sich hin, es brennt einem richtig die Haut weg“, hatte Andrea Petkovic festgestellt, und Jo-Wilfried Tsonga glaubte gar, der Boden sei derzeit heiß genug, um „sich ein kleines Omelette zu braten“. Ein französischer Fotograf hatte sich zum Beweis gleich mitsamt einer Pfanne ablichten lassen, in der zwei Eier von alleine in der Sonne brieten.

Bis zum heutigen Freitag soll die brutale Wärme noch anhalten, ab Sonnabend sackt das Thermometer dann auf 20 Grad ab. Auch das kennen die Einwohner von Melbourne. Man spricht bei den krassen Temperaturschwankungen von „vier Jahreszeiten an einem Tag“. Den Tennisprofis bleibt also nichts, als nochmals literweise zu trinken, sich Eiswesten anzulegen und im Eisbad abzukühlen. Nur Federer braucht das nicht. Sein Rezept: „Ich dusche – lauwarm.“ Petra Philippsen

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