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Wurfgewaltig. Christina Obergföll sicherte sich in Kassel mit 68,86 Meter den deutschen Meistertitel und ist auch für die WM eine Favoritin auf den Sieg. Foto: dapd

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Sport: Höher, weiter, aber nicht schneller

Die deutsche Leichtathletik ist vor der WM zweigeteilt: Werfer und Springer überzeugen, Läufer nicht

Der Himmel konnte noch so grau sein, die Bahn unter ihr noch so rutschig, der Wind noch so kühl – Christina Obergföll hat den Speer am Sonntag trotzdem so weit geworfen wie noch keine Athletin vor ihr bei einer deutschen Meisterschaft, 68,86 Meter. Nach dem Speer flogen auch noch ihre Fäuste jubelnd durch die Luft.

Nur ein paar Meter neben ihr zeigte derweil Raul Spank im Hochsprung eine beeindruckende Leistung. Bei 2,15 Meter wäre der Dresdener beinahe ausgestiegen, zweimal scheiterte er an dieser Höhe. Doch dann war er auf einmal drin im Wettbewerb, schraubte sich bis 2,31 hoch und wollte dann als Deutscher Meister auch nicht weitermachen, um sich für die Weltmeisterschaften Ende August in Daegu noch so viel Energie wie möglich aufzuheben.

Obergföll und Spank standen bei den nationalen Meisterschaften im Aue-Stadion von Kassel am Ende für den Zustand der deutschen Leichtathletik. Die Deutschen können gut werfen und gut springen, aber schnell rennen leider nicht. Wenn der deutsche Leichtathletik-Verband an diesem Dienstag in Frankfurt am Main seine Mannschaft für die WM vorstellt, dann werden die größten Medaillenhoffnungen wieder beim Werfen und Springen liegen. Die Läufer werden das Aufgebot eher komplettieren.

Nicht, dass dies etwas Neues wäre. Beim Laufen können die deutschen Athleten allenfalls auf europäischer Bühne mithalten. Da können sie sogar Titel gewinnen wie Verena Sailer im vergangenen Jahr in Barcelona über 100 Meter. Sobald es aber um einen weltweiten Vergleich geht, sieht es weniger gut aus, und Sailer ist in dieser Saison auch noch verletzt.

Der Trend in der deutschen Leichtathletik sieht so aus: Die erfolgreichen Disziplinen werden noch besser, die weniger erfolgreichen noch schlechter. Es gibt eine Sogwirkung nach oben und nach unten. Im Diskuswerfen etwa ist es längst nicht nur der Berliner Robert Harting allein, der internationales Format besitzt. Martin Wierig aus Magdeburg hat in dieser Saison schon 67,21 geworfen, Markus Münch aus Pinneberg 66,87 Meter. Die Stabhochspringer ziehen sich ohnehin immer gegenseitig nach oben, seien es Männer wie Malte Mohr und Raphael Holzdeppe oder Frauen wie die neue Deutsche Meisterin Martina Strutz und Silke Spiegelburg. Sie werden daher in Daegu genauso zu den Medaillenanwärtern zählen wie die Speerwerfer Matthias de Zordo, Diskuswerferin Nadine Müller und die beiden Hammerwerferinnen Betty Heidler und Kathrin Klaas.

Es ist ein Vorsprung, der manchmal auch durch Technik kommt. Christina Obergföll etwa hat sich eine neue Kraftmaschine zugelegt, „für Kraftübungen, bei denen man ein Gewicht auf einem Schlitten mit der gleichen Bewegung zieht, wie man den Speer wirft“, erklärte die 29 Jahre alte Offenburgerin. „Das scheint sich auch gut auf meine Technik ausgewirkt zu haben.“ Einen fünfstelliger Betrag hätte die Maschine gekostet, doch sie ist in der Lehrwerkstatt ihres Sponsors für sie angefertigt worden. Diese Maschine hätten ihre Konkurrentinnen auch gerne.

Am Freitagabend hatte ihr die Tschechin Barbora Spotakova beim Diamond-League-Meeting in Monaco die Weltjahresbestleistung mit 69,45 Meter abgenommen. Obergföll hat sie sich zwar in Kassel nicht zurückgeholt, mit ihren 68,86 Meter aber gezeigt, dass sie nah dran ist. „Die besten Werferinnen sind gerade alle sehr nah am Weltrekord dran“, sagt Obergfölls Trainer Werner Daniels.

Ein Gutes könnte die verlorene Führung in der Weltrangliste für Christina Obergföll auf jeden Fall haben: Sie wirft immer dann am besten, wenn sie angreifen kann, wenn sie die anderen herausfordert und nicht selbst gejagt wird. So war es bei ihrem ersten großen Erfolg, WM-Silber 2005 in Helsinki. Und als sie später die ganze Saison über dominiert hatte, gelang ihr gerade beim Jahreshöhepunkt nicht die beste Leistung. Ein internationaler Titel fehlt ihr daher noch. In Daegu könnte sie den Trend der deutschen Leichtathleten bestätigen: Dass die Starken noch stärker werden.

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