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Sport: Hundert Fragezeichen

Ullrich freut sich über sein Comeback – doch das Chaos um sein Team bereitet ihm Sorgen

Pont-Chateau. Pressekonferenz im kargen Zwei-Sterne-Motel „Les Eleis“ in dem entlegenen Nest St. Martin de Fraigneau. Der Coast-Kommunikator Marcel Wüst bittet, nur danach zu fragen, „was Jan sportlich auf der Seele hat“. Was Jan Ullrich nach einem verlorenen Jahr mit Fahrerflucht, Pillen-Affäre, Dopingsperre und Knieoperationen wirklich auf der Seele lastet, verrät der deutsche Radstar nicht, ist ihm jedoch deutlich anzusehen. Die Sorge über die Zukunft im Team Coast ist durch seine eindrucksvolle Rückkehr auf die Rennstrecke nach 14 Monaten nicht geringer geworden.

Auch wenn die Beine des 29-jährigen Tour-de-France-Sieger von 1997 „brummen“, hielten sie auf den ersten 188 Kilometern locker mit. Sein persönlicher Sportlicher Leiter Rudy Pevenage schwärmt: „Seit sechs Jahren war Jan im April nicht so gut drauf.“ Was den ehemaligen Telekom-Kapitän bremst, sind die hundert Fragezeichen in seinem neuen Arbeitsverhältnis. Ullrich darf zwar mit einer Sondergenehmigung die Sarthe-Rundfahrt in Frankreich bis Freitag zu Ende radeln. Doch gleichzeitig muss der klamme Coast-Chef Günther Dahms bis zum Freitag beim Weltverband UCI die Bankbürgschaft über drei Monatsgehälter (mehr als eine halbe Million Euro) seines teuersten Arbeitnehmers und dessen Anhang vorlegen. Vom eigenen Konto oder mit finanzieller Hilfe seines Rad-Ausrüsters Bianchi.

Am nächsten Mittwoch will Jan Ullrich zur fünftägigen Aragon-Rundfahrt starten, danach am Ostermontag bei Rund um Köln, am 27. April beim Klassiker Lüttich – Bastogne – Lüttich und am 1. Mai am Henninger Turm in Frankfurt. Doch es gibt große Fragezeichen hinter der Fahrerlaubnis. Einen abermaligen Aufschub für die Bankgarantie dürfte die UCI kaum gewähren. Und Ullrich selbst wird nicht noch einmal das frustrierende Theater und den nervenden Hickhack um seine Startberechtigung mitmachen. „Es haben nur zwei Minuten gefehlt. Dann wäre Jan am Montag von Coast weg gewesen“, verriet Pevenage.

Wenn Jan Ullrich sich nur öffentlich alles so leicht von der Seele reden könnte wie das Resümee seines Comebacks. „Es war, als würde ich nur aus der Winterpause kommen.“ Dabei habe er sich überhaupt nicht einschätzen können. „Ich wusste nicht, wie ich fahre.“ Umso glücklicher war Ullrich über seine Leistung. „Ich bin froh, dass ich so weit vorne mitfahren konnte. Natürlich fehlt noch die Kraft, die meine Stärke ist.“

Er werde „ganz gemütlich“ seine Form aufbauen und verbessern, um „dann im Sommer bei der Tour nicht schlecht auszusehen“. Dort wird er es dann wieder mit Lance Armstrong zu tun haben. Der US-Amerikaner, viermal Sieger der Tour de France, ist auch noch nicht in Topform. Gestern stieg er bei der Sarthe-Rundfahrt wegen Magenproblemen aus. Ullrich kam mit dem Hauptfeld ins Ziel.

Hartmut Scherzer

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