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Andreas Wellinger, 17, startet seit dieser Saison im Weltcup und wurde am Wochenende Zweiter beim Springen in Engelberg. Foto: AFP

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Sport: „Ich bin zu faul zum Laufen“

Andreas Wellinger ist die deutsche Skisprung-Hoffnung – dabei war er bis vor kurzem noch Kombinierer.

Herr Wellinger, wie schafft man es, in Ruhpolding Skispringer und nicht Biathlet zu werden?

Weil ich schon als Kind beim Skifahren über jede Schanze gesprungen bin, habe ich irgendwann gesagt, dass ich das mal ausprobieren will. Und weil wir in Ruhpolding beim Biathlonstadion auch Sprungschanzen haben, hab ich’s bei einem Sichtungstraining mal ausprobiert.

Zunächst waren Sie aber Kombinierer.

Das stimmt, bis Februar 2011 war ich Kombinierer. Ich bin aber nicht der begnadete Läufer. Oder besser: Ich bin zu faul zum Laufen.

Als Hobby geben Sie Wellenreiten an. Wie sind Sie denn dazu gekommen?

Wir sind häufig nach Sardinien in den Urlaub gefahren. An der Westküste gab es ordentliche Wellen. Und mit zehn Jahren hab ich’s mal probiert – Wahnsinn. Das macht mir sehr viel Spaß.

Mit Ihrem Preisgeld vom Skispringen gönnen Sie sich jetzt eine Reise nach Hawaii?

Das wäre schön, geht aber nicht. Denn im Sommer haben wir ständig Lehrgänge. Und so kurz mal von Freitag bis Sonntag – dafür ist Hawaii zu weit.

Ihre Leistungen sind konstant auf einem hohen Niveau. Wie reagieren Ihre Konkurrenten darauf?

Ein Gregor Schlierenzauer oder ein Anders Bardal kommen her und gratulieren. Vor Lillehammer haben die noch nie etwas von einem Wellinger gehört. Jetzt beobachten sie mich, weil sie gesehen haben, dass ich Skispringen kann.

Ihr Weltcupeinstand war ja auch sensationell. Was haben Sie gedacht, als Sie gleich bei Ihrem ersten Weltcupspringen in Lillehammer als Letzter oben saßen?

Ganz ehrlich, als ich da ganz allein oben gesessen habe, war meine Gefühlslage wieder relativ normal. Ich war am Ende des ersten Durchgangs wesentlich aufgeregter als später beim zweiten Sprung. Natürlich hatte ich eine gewisse Nervosität, aber ich hab mich wirklich auf den Sprung gefreut. Schließlich hatte ich nichts zu verlieren. Ob ich noch einmal so einen geilen Sprung gemacht hätte und Erster geworden wäre oder ob ich nur 14. geworden wäre – es wäre so oder so ein super Ergebnis gewesen. Letztlich wurde ich Fünfter.

Sie wussten, dass alle Augen auf Sie gerichtet waren. Hatten Sie Angst, sich zu blamieren?

Dieser Gedanke könnte da sein, war bei mir aber nicht der Fall. Ich habe versucht, mich auf meinen Sprung zu konzentrieren. Das ist das Wesentliche. Als Springer bin ich so in einem Tunnel drin, da schaue ich nur auf mich. Alles andere wird beiseitegeschoben.

Denken Sie schon an Werbeverträge?

Ich geb’s zu: Das habe ich auch im Hinterkopf. Aber der Fokus liegt ganz klar auf dem Sport. Bei mir kommt ja noch die Schule dazu, die nebenbei mitlaufen muss. Damit bin ich genug ausgelastet, deshalb habe ich momentan nicht die Nerven, zusätzlich noch einen Manager zu suchen.

Was heißt denn das: Die Schule nebenbei mitlaufen lassen?

Das Hauptziel liegt momentan klar beim Sport. Ich bin ja am Christophorus-Gymnasium in Berchtesgaden, da wird Sport und Schule miteinander koordiniert.

Wie läuft der Wechsel zwischen Schule und Sport?

Das läuft momentan ehrlich ganz gut. Wenn ich in der Schule bin, versuche ich den Sport außen vor zu lassen. Wenn ich unterwegs bin, dann fällt es mir schwer, mich auf die Schule zu konzentrieren.

Was haben Sie vor, wenn es mit dem Skispringen nicht mehr klappt?

Ich habe schon einen Plan B und möchte nach der Schule studieren.

Sie springen nicht unbedingt nach Lehrplan. Ihre Ski seien zu weit weg vom Körper, sagt Dieter Thoma. Hat schon jemand versucht dies zu ändern?

Das war schon immer mein Stil. Ich bin der Meinung, es gibt kein gut oder schlecht. Es muss effektiv sein. Das ist es bei mir, das sieht man, glaube ich. Von daher ist es nicht so entscheidend, ob der Abstand der Ski zum Körper relativ nah oder weiter weg ist.

Träumen Sie nachts von großen Erfolgen?

Vom Skispringen träume ich nicht. Wenn ich von der Schanze weg bin, dann mache ich wie jeder normale Mensch etwas anderes. Da ist Skispringen außen vor.

Es könnte ja sein, dass Sie schon mal im Kopf vorspringen. Etwa den Sprung zum Sieg bei der Vierschanzentournee.

Das passiert vielleicht dann, wenn man sich aufs Springen vorbereitet, aber ansonsten versuche ich in meiner Freizeit, das Skispringen möglichst auszublenden.

Waren Sie schon einmal bei der Tournee?

Nein, die Tournee kenne ich nur als Zuschauer am Fernseher.

Wie ist diese Veranstaltung bei Ihnen angekommen?

Die erste Tournee, die ich so richtig mitbekommen habe, war die, als Sven Hannawald alle vier Springen gewonnen hat. Das war unglaublich. Er wurde darauf mein Vorbild.

Mittlerweile ist dies Severin Freund. Wie begegnet man seinem Vorbild, wenn es plötzlich Teamkollege ist?

Er sieht sich nicht als mein Vorbild, sondern als mein Teamkollege. Und als Freund. Im Moment befinden wir uns auf einem ähnlichen Niveau. Wir arbeiten im Team alle gut zusammen und die Stimmung ist gut.

Sie kommen viel herum, beneiden Sie Ihre Freunde um dieses Leben?

Teils ja, teils nein. Dass ich viel rumkomme, ist schon etwas Schönes. Aber von den Wettkampforten sehen wir nicht viel. Mit Fliegen oder Fahren, Training und Springen auf der Schanze hat man kaum Zeit für etwas anderes.

Das Gespräch führte Klaus-Eckhard Jost.

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