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Interview mit Antje Buschschulte: „Ich fühle mich da rausgewachsen“

Schwimmerin Antje Buschschulte über den Abschied vom Sport und ihre Arbeit in der Hirnforschung

Frau Buschschulte, Sie haben Ihren Verzicht auf den Schwimm-Weltcup in einer Woche in Berlin bekannt gegeben. Haben Sie keine Lust mehr auf den Sport?

Für mich ist bei den Olympischen Spielen in diesem Sommer ein großer Abschnitt zu Ende gegangen. Ich habe mich in Peking eher als Beobachter gefühlt denn als Teil des Ganzen. Ich habe jetzt vier Olympische Spiele erlebt, für mich ist das alles nicht mehr so aufregend. Ich fühle mich da irgendwie rausgewachsen.

Das klingt nach Rücktritt.

Ich bin jetzt seit 15 Jahren bei allen wichtigen Wettkämpfen dabei, immer habe ich mein Leben dem Schwimmen untergeordnet. Warum soll ich noch eine Kurzbahn-WM gewinnen? Ein Rücktritt soll das nicht sein. Einige Meetings im kommenden Frühjahr werde ich absolvieren, aber eher aus Spaß an der Freude.

Also handelt es sich um einen halben Abschied?

Es stellt sich ja für viele Sportler die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, um aufzuhören. Ich habe mich schon ein Jahr vor den Olympischen Spielen damit beschäftigt, als im Schwimmen die Zeiten immer phantastischer wurden und immer mehr Leute Rekorde schwammen, die vorher kaum einer kannte.

Was auch im Schwimmen neue Gerüchte um Doping hervorbrachte.

Diese Gerüchte verwundern mich nicht, daran denkt man natürlich auch. Mir fiel auf, dass die zehn schnellsten jemals geschwommenen Zeiten über 100 Meter Rücken plötzlich alle aus dem Jahr 2008 stammen. So etwas habe ich noch nie erlebt. Auch deshalb habe ich eher Abstand zu den Olympischen Spielen gehalten. Ich wusste von vornherein: Mit einer Medaille wird das schwierig.

Das klingt frustriert.

Manchmal habe ich mich gefragt: Wozu mache ich das überhaupt noch? Dann habe ich mich noch einmal motiviert, die Qualifikation geschafft und bei Olympia gute Leistungen gebracht. Aber in meiner Spezialdisziplin über 100 Meter Rücken hat die zweitbeste Zeit meiner Karriere nur zum Halbfinale gereicht. Bei Olympia 2012 in London werde ich sowieso nicht mehr starten. Im Schwimmen ist man eben mit knapp 30 nicht mehr die Jüngste.

Spricht man im Team darüber? Auch Britta Steffen hat sich immer wieder mit Rücktrittsgedanken getragen.

Ich habe mich eher mit meinem Freund Helge Meeuw unterhalten, aber der ist ja auch Schwimmer. Bei Britta lohnt es sich sicherlich, dass sie weiterschwimmt, sie ist noch nicht so alt wie ich. Aber ich muss mich nicht mehr jeden Tag mit Sport beschäftigen und nur dafür leben, zu trainieren und sich mit Physiotherapeuten oder Psychologen zu treffen.

Nun werden Sie selbst zur Psychologin und starten eine wissenschaftliche Karriere als Neurobiologin.

Mit Psychologie hat das nicht so viel zu tun. Ich werde nach Abschluss meines Studiums nun meine Doktorarbeit über kognitive Hirnforschung schreiben. Es geht darum, das Gehirn beim Arbeiten zu beobachten. Dazu werden Hirnströme und Magnetfelder gemessen. So kann man erkennen, in welcher Millisekunde das Gehirn an welcher Stelle arbeitet.

Wie kann man das herausfinden?

Ich mache Experimente mit Probanden, die auf einen Bildschirm gucken und – wenn sich ein Punkt auf dem Bildschirm bewegt – auf einen Knopf drücken müssen. Das ist Grundlagenforschung. So wird beobachtet, wo im Gehirn wann an wen ein Befehl weitergegeben wird.

Hinterfragen Sie auch Ihr eigenes Denken?

Das ist nicht Aufgabe meiner Forschung. Das wäre dann tatsächlich Psychologie, wenn ich mich fragen würde, warum ich eine bestimme Entscheidung getroffen habe. Ich kann nur herausfinden, auf welche Art jemand denkt. Ich kann aber nicht messen, was jemand denkt.

Sie können also nicht erforschen, warum Sie sich vom Schwimmen zurückziehen?

Ich analysiere mit meinem Gehirn nicht mein eigenes Gehirn. Sondern ich habe einfach ganz rational eine Entscheidung über meine Zukunft zu treffen. Und da bietet mir die Wissenschaft eine Perspektive, mit der ich vielleicht auch mit 60 Jahren noch aktiv sein kann. Der Sport kann mir das nicht bieten.

Werden Sie etwas vermissen?

Ach, ich bin ganz froh, dass meine Tage nicht mehr ganz so schematisch verlaufen. Ich freue mich, wenn ich auch mal erst um acht Uhr morgens aufstehen kann. Und ich wende mich ja nicht ganz vom Schwimmen ab. Ich werde weiter trainieren und möchte beim SC Magdeburg Kinder und Jugendliche betreuen.

Würden Sie jungen Menschen noch raten, Leistungssportler zu werden?

Ich möchte den Kindern ja nicht ihr Ziel nehmen. Und wenn sie Talent haben, sollten sie es wirklich versuchen auszureizen. Aber falls man nur mitschwimmt, sollte man realistisch bleiben und nicht sein Leben opfern.

Das Gespräch führte Robert Ide.

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