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André Lotterer, 36, und der Neustart im Elektroauto. Der dreimalige Le-Mans-Sieger und frühere Langstrecken-Weltmeister fährt seit dieser Saison mit in der Formel E. Das vierte Rennen in der Formel-E-Serie startet am Sonnabend in der Innenstadt von Santiago de Chile. In Berlin fahren die zehn Teams am 19. Mai nicht in der City, sondern wie im Vorjahr auf dem Tempelhofer Feld.

© Zak Mauger/Imago

Formel E Interview mit André Lotterer: „Ich springe wie ein Ninja aus dem Auto“

Rennfahrer André Lotterer über seinen Start in der Formel E, die Zukunft des Motorsports und Roadtrips mit seinem neuen Bus.

Von Sabine Beikler

Herr Lotterer, nach vielen Jahren in der LMP1-Klasse bei Audi und Porsche sind Sie in die Formel E gewechselt und fahren in dieser Saison beim chinesischen Team Techeetah. Gefällt Ihnen die Formel E?

Audi und Porsche haben sich leider aus der Langstrecken-WM verabschiedet. Die Elektromobilität steht jetzt bei den Herstellern im Vordergrund. Das ist jetzt der Trend im Motorsport. Die Formel E steht im Mittelpunkt, sie hat eine große Zukunft. Und ich wollte diese Herausforderung, gegen die besten Fahrer in der Formel E anzutreten. Und klar ist auch, dass der Wechsel zum richtigen Zeitpunkt in meiner Karriere kam.

Sie sagten aber noch vergangenes Jahr, die Formel E sei kein Motorsport, die Autos hätten „nur“ 250 PS. Warum hat sich Ihre Meinung geändert?
Viele Leute haben am Anfang den Fehler gemacht, den traditionellen Motorsport mit der Formel E zu vergleichen. Das ist aber unfair. Elektromobilität steht erst am Anfang. Ich war happy mit meinen 1000 PS starken Sportautos. Aber ja, ich habe da meine Meinung geändert. Die Formel E hat ihre Reize. Die Stadtkursrennen in der Formel E sind sehr anspruchsvoll für die Fahrer. Trotz geringerer Motorleistung kommt da mehr Adrenalin hoch. Die Wände beim Stadtkurs sind sofort da, wenn man auch nur einen kleinen Fehler macht. Da gibt es auch keine Auslaufzonen wie auf den meisten Rennstrecken.

Bei Ihrem Debüt im Dezember sind Sie in der Zielkurve heftig in die Mauer gekracht. Eine schöne Feuertaufe, sagten Sie damals. Warum ist die Formel E fahrerisch anspruchsvoll?
Vor Hongkong hatte ich kaum Zeit zum Trainieren. Ich lerne während jedem Rennen dazu. Wir fahren ohne Telemetrie (Anm. d. Red.: Datenübertragung aus dem fahrenden Auto durch Sensoren an Renningenieure in der Boxengasse) und sind komplett auf uns selbst angewiesen. Und als Fahrer musst du die Energie gut managen. Wir dürfen nicht zu viel Watt verbrauchen. Und wir müssen ja auch Energie rekuperieren während des Bremsens über die Hinterachse. Wir haben keine elektronische Bremse, die das ständig reguliert. Wir Fahrer machen das fast manuell. Manchmal ändert sich die Bremsbalance während der Bremsphase, Räder können blockieren, und Du musst ja auch noch Kurven in einem engen Stadtkurs fahren ohne in der Wand zu landen. Das ist sehr anspruchsvoll.

Was halten Sie vom Fanboost, wenn Fans ihren Lieblingsfahrern per Voting im Internet mehr Schub geben können? Das zweite Auto hat zusätzlich 30 Kilowatt Energie.
Das ist kein Riesenvorteil, aber cool für die Fans, die über Social Media eingebunden werden und für ihren Lieblingsfahrer stimmen können.

Noch zeichnet sich die Formel E durch einen Autowechsel aus. Sie müssen herausspringen, zum zweiten Fahrzeug laufen, hineinspringen, sich anschnallen lassen und fahren. Wie lange haben Sie das geübt?
Ich kenne ja den Fahrerwechsel in geschlossenen Boliden. Aber da springe ich eben nur raus, und das war’s. Bei der Formel E ist der Autowechsel ein wesentlicher Punkt. Die Mechaniker müssen schnell sein, wenn sie die Gurte anlegen. Das ist Teamsport. Ich gehöre mit 1,84 Meter zu den größeren Fahrern. Ich habe den Vorteil, dass ich mich mit einem Sprung direkt vom Auto wegbewegen kann. Bei mir schaut das fast so aus, wie wenn ein Ninja aus dem Auto springt.

Die Formel E zeichnet sich durch Stadtkurse aus – bis auf Berlin. Wären Sie am 19. Mai statt auf dem Tempelhofer Feld lieber durch die Stadt gefahren?
Der Kurs ist ja auch in der Stadt. Er hat seinen Reiz, weil es ein historischer Platz ist und viele Fans kommen. Tempelhof ist ein cooler Rennort. Und ich freue mich, dass ich in meinem Heimatland das erste Mal Formel E fahren darf.

André Lotterer.

© promo

Parallel zur Formel E in Berlin läuft die DTM auf dem Lausitzring. Ist eine solche Konkurrenz gut für den Motorsport?
Es kommen andere Fans zu einem Formel-E-Rennen als zur DTM. Die Formel-E-Fans sind an Elektromobilität, an Nachhaltigkeit, an einer guten Show interessiert. Und in der Formel E sind viele neue Fans, die sich bisher nicht unbedingt für den klassischen Motorsport interessiert haben. Bei einem Formel-E-Rennen gibt es mehr Action als bei einem normalen Motorsport-Rennen.

Audi fährt in der Formel E, BMW steigt in der nächsten Rennsaison ein, dann folgen Mercedes und Porsche ab 2019/2020. Wie sehen Sie die Zukunft dieser Rennserie?
Dass die größten Hersteller in die Formel E einsteigen, ist allein schon ein Zeichen für sich. Die Formel E nutzen die Hersteller als Plattform für Elektromobilität. Ich schließe auch nicht aus, dass die Formel E irgendwann zur Königsklasse im Motorsport wird. Die Technik ist momentan aber noch am Anfang und ist vom Reglement her noch limitiert. Das wird sich sukzessive auch ändern. In Zukunft könnte die Formel E auch die Formel 1 infrage stellen. Die Formel 1 hat eine lange Geschichte, die Formel E ist eine junge Rennserie. Und wer weiß, wie die Entwicklung in zehn, 20 Jahren ist.

Sie sind in Ihrer Karriere die unterschiedlichsten Rennautos gefahren. Als dreimaliger Le-Mans-Sieger fahren Sie 2018 neben der Formel E in der LMP1 bei Rebellion mit. Ihr Teamkollege ist Neel Jani, der ebenfalls von Porsche kam. Kämpfen Sie in Le Mans um den Titel?
Als Privatteam gegen Toyota als Werksteam anzutreten, ist extrem schwierig. Wir haben ein tolles Team. Und in 24 Stunden Le Mans kann viel passieren.

Sie sind als Deutscher in Belgien aufgewachsen, wo Sie eine große Autosammlung haben. Sammeln Sie noch?
Ich habe noch sieben Fahrzeuge, darunter einen Carrera GT, einen 964 RS, einen grünen Mustang von 1976 und einen Audi Sport Quattro. Ich fahre auch gern mit meinen Autos. Und ich habe kürzlich einen VW Bus T3 Synchro gekauft. Den Bus will ich herrichten und mit ihm irgendwann auf Roadtrips gehen.

Sie leben seit 2003 in Japan, wo Sie nach 15 Jahren wegen Ihres WEC- und Formel-E-Engagements aus der Super Formula aussteigen. Dort haben Sie 24 Rennen gewonnen und 2011 den Titel geholt. Gehen Sie zurück nach Europa?
Japan war ein großer Teil meines Lebens, nur es gibt leider zu viele Terminüberschneidungen. Ich habe dort viele Freunde und behalte meine Wohnung in Tokio. Aber ich wohne schon seit längerem in Monaco.

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