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Sport: „Ick war ein Berliner“

Eyjölfur Sverrisson und Michael Preetz nehmen Abschied

Berlin. Es war wie im Drehbuch, perfekt inszeniert. Kurz vor der Halbzeitpause spielte die Szene, Hertha BSC kickte gegen Galatasaray Istanbul, da kam Michael Preetz an den Ball, passte quer, Eyjölfur Sverrisson musste den Ball nur noch ins leere Tor schieben, 3:1. Für Hertha. Am Ende stand es im Olympiastadion 4:1, aber das interessierte kaum einen der 30 000 Zuschauer.

Dieser Nachmittag gehörte Michael Preetz und Eyjölfur Sverrisson, es war ihr Abschiedsspiel. Sie nahmen Abschied von Hertha BSC, von Berlin, von ihrem Beruf. Deshalb war dieser Torjubel nach dem 3:1 so schön. Sverrisson rannte los, lachte, schoss den Ball in die Kurve, doch „plötzlich waren da nur Ellenbogen, die Jungs haben mich alle gedrückt“, erzählte Sverrisson später. Als die Kollegen wieder wegliefen, blutete der Isländer an der Augenbraue. Die Narbe wurde in der Kabine genäht, „das letzte Mal wollte sich der Doktor nicht nehmen lassen“.

Herthas Trainer Huub Stevens hatte die beiden 49 Minuten im Angriff spielen lassen, dann nahm er sie vom Feld. Die Zuschauer standen auf, sie hoben die Arme über die Köpfe, dann klatschten sie. Minutenlang. Vor der Fankurve sangen „Nello and friends“ ein trauriges Lied: „Time to say goodbye“. Nello, das ist Nello di Martino, Herthas Torwarttrainer. Er hatte an diesem Nachmittag extra einen schwarzen Anzug angezogen. Und das bei dieser Hitze.

Sie haben sich gedrückt, umarmt, über den Kopf gestreichelt, und als Preetz und Sverrisson in der Ostkurve standen und die Fans ihren Namen riefen, da schnappte sich Preetz das Mikrofon und sagte: „Es ist der richtige Tag, ,Tschüss’ zu sagen. Vielen Dank, Berlin. Vielen Dank, Hertha. Vielen Dank für unvergessliche Jahre.“ Seit 1996 spielte er für Hertha, sieben Jahre waren das. Preetz ist mit dem Klub aufgestiegen, spielte in der Champions League, wurde bei Hertha noch Nationalspieler, er war Kapitän und Torschützenkönig in der Bundesliga. Jetzt ist er fast 36 Jahre alt.

Der sportliche Wert des Spiels hielt sich in überschaubaren Grenzen. Galatasaray Istanbul ist zwar Vizemeister der Türkei, „aber sie haben noch zwei Wochen länger Pause“, sagte Stevens. „Für mich war es einfach wichtig, dass wir den nächsten Schritt nach vorne gemacht haben.“ Am Samstag empfängt Hertha zum Bundesligaauftakt Werder Bremen. Auch Dick van Burik wird dabei mitwirken können, obwohl sich der Holländer gestern eine Rückenblockade zugezogen hat und ausgewechselt wurde. Niko Kovac sagte nach dem Abpfiff: „Die Liga kann kommen.“

Nach drei Minuten war Hertha durch ein Eigentor von Gabriel Tamas in Führung gegangen. Er hatte eine Freistoßflanke von Marcelinho ins eigene Tor geköpft. Nach einer Viertelstunde dann war es Marcelinho selbst, der aus 20 Metern einen Freistoß in die Torwartecke drosch. Kurz nachdem Ümit Karan verkürzt hatte, kam der Auftritt von Sverrisson. Seit acht Jahren arbeitet der Isländer in Berlin, er war einer der Charakterköpfe, jetzt kehrt er in seine Heimat zurück. „Ick war ein Berliner“, sagte Sverrisson. „Aber ick bleibe immer ein Herthaner.“ Das letzte Tor erzielte Artur Wichniarek. Für ihn war es sein erstes für Hertha. Wichniarek riss die Arme hoch, rannte los und jubelte. Fast war es wie bei Sverrisson. Nur, dass ihn niemand verletzte.

André Görke

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