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Sport: Im falschen Ring

Bei der Amateurbox-WM in Bangkok regiert das Chaos – nebenbei gibt es Sport zu sehen

Bangkok (dpa). Selbst die wenigen Zuschauer im nicht eben boxsportverrückten Bangkok pfiffen aus Leibeskräften. Soeben hatte ein Offizieller des AmateurboxWeltverbandes Aiba Kubas Superschwergewichtler Pedro Carrion vorschriftsmäßig in Ring A klettern lassen. Doch dort angekommen stellte der Mann von der Karibikinsel fest, dass bereits Kollegen aus Rumänien und der Türkei auf den Gong zur ersten Runde ihres Kampfes warteten. Um einen Dreikampf zu vermeiden, wurde Carrion schnell aus dem Ring geleitet. Der Kubaner durfte nach einer halben Stunde Wartezeit im anderen der beiden in der Arena aufgebauten Ringe sein Glück versuchen.

Was nach einer lustigen Episode auf einem Dorfsportfest klingt, ist bei den 12. Box-Weltmeisterschaften der Amateure bittere Realität. „Das Wort Chaos ist für das, was sich hier abspielt, noch eine freundliche Umschreibung“, sagte Chef-Bundestrainer Helmut Ranze.

Dabei hatte Ranze erstaunlichen Langmut bewiesen. Schon im April war der Coach aus Worms nach Asien geflogen, um Unterkünfte, Trainingsstätten und Halle zu inspizieren. „Damals konnte mir kein Mensch sagen, wo und wann hier geboxt wird,“ sagt er. Und als Ranze die Frage nach einer Unterkunft für seine Boxer stellte, schienen die Veranstalter völlig überfordert zu sein. „Ein Quartier für uns? Daran hatte niemand gedacht.“ Daran änderte sich bis zehn Tage vor WM-Beginn nichts. Erst dann erklärten die Organisatoren, das deutsche Team würde in der Nähe der Halle in Bangkok wohnen.

Nachdem alle Teams das Chaos mit den Umbuchungen überstanden hatten, erfuhren sie dann bei ihrer Anreise von einer weiteren kurzfristigen Änderung. Die WM begann zwei Tage später, soll dafür aber 24 Stunden früher als geplant beendet sein. Der vorgesehene Ruhetag wurde zum Erstaunen von Betreuern und Boxern kurzerhand gestrichen. Dafür dauerte die Auslosung der ersten Begegnungen in den elf Gewichtsklassen am Sonntagvormittag mangels technischer Hilfsmittel immerhin zweieinhalb Stunden. Da war der deutsche Delegationsleiter Peter Kienast aus Haltern noch amüsiert. „Das dürfte ein neuer Weltrekord für eine solche Zeremonie sein“, hatte Kienast nach der Auslosung gesagt.

Inzwischen ist auch Kienast das Lachen vergangen. Nur die Herren aus der Chefetage zeigen sich noch unbeeindruckt vom Chaos in Bangkok. Aiba-Präsident Anwar Chowdhry aus Pakistan thront auf einer eigens für ihn und sein Gefolge im Innenraum der Arena platzierten Couch. Dorthin begibt sich der schwergewichtige Chef des Weltverbandes aber nicht etwa zu Fuß. Weil Chowdhry die dreißig Stufen bis zur Halle angesichts seiner Körperfülle zu viel sind, haben die Gastgeber eigens für ihn einen provisorischen Lastenaufzug an einen Seitenflügel der Halle angebaut. So schwebt der 79-Jährige jetzt zu den Veranstaltungen ein.

Am Rande wurde auch noch geboxt. Schwergewichtler Steffen Kretschmann (Halle/Saale) nährte die Medaillenhoffnungen der Deutschen. Der 23-Jährige erreichte am Dienstag mit einem RSC-Sieg in der vierten Runde über den Ägypter Mohamed El Zayed ebenso wie zuvor Superschwergewichtler Sebastian Köber (Frankfurt/Oder) das Viertelfinale. Damit sind noch sechs von neun Deutschen im Rennen.

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