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Sport: Im Gespräch mit Michael Preetz: Der Kopf ist nicht allein zum Köpfen da

Michael Preetz (33) stürmt seit fast fünf Jahren für Hertha BSC. Der 1,92 m große Kapitän (7 Länderspiele) wurde in der Saison 1998/99 Torschützenkönig (23 Treffer).

Michael Preetz (33) stürmt seit fast fünf Jahren für Hertha BSC. Der 1,92 m große Kapitän (7 Länderspiele) wurde in der Saison 1998/99 Torschützenkönig (23 Treffer). Der gebürtige Düsseldorfer ist Vizepräsident des Vereinigung der Vertragsfußballer.

Herr Preetz, Sie sind erwischt worden?

Ach, wobei denn?

Beim Lesen einer Literaturbeilage, mitten im Flugzeug. Der Dramatiker Moritz Rinke hat Sie dabei beobachtet und gleich eine Glosse darüber geschrieben.

Hören Sie bloß auf, was glauben Sie, was danach bei mir los war? Autoren und Verlage haben mir kistenweise ihre Bücher geschickt, ich bin zu einem Literaturfestival nach Köln eingeladen worden, und für Ihre Konkurrenz, die "Welt", musste ich einen großen Artikel schreiben.

Das war bestimmt Gesprächsthema in der Kabine.

Sie werden lachen, aber von meinen Mannschaftskameraden hat mich kein Einziger darauf angesprochen.

Das bestätigt ein altes Vorurteil ...

dass Fußballer dumm sind und ihren Kopf nur zum Köpfen einsetzen? Also, da muss ich ja schon aus Prinzip widersprechen.

22 Nationalspieler fahren zu einem Turnier. Wie viele Bücher sind da im Gepäck?

Sehr gute Frage. Kann ich aber so nicht beantworten. Also, ich hatte vor zwei Jahren beim Confederations Cup in Mexiko eins mit. Und die anderen? Ich kann ja jetzt sagen - um gut rauszukommen -, dass wir nur Einzelzimmer haben. Viele haben ihre Laptops dabei. Ich lese lieber.

Viel?

Im Trainingslager schon, weil da einfach mehr Zeit bleibt. Ich habe aber auch schon mal mehr gelesen. Zur Schulzeit etwa, oder direkt danach auch. Ich bin mehr ein Saison-Leser.

Im Trainingslager im Januar in Marbella hatten Sie mehrere Tage Durchfall ...

und damit mehr Zeit zum Lesen? Ja, das stimmt. Wollen Sie wissen, was ich gelesen habe? Harry Potter!

Alle vier Bände?

Eins und zwei hatte ich schon durch, drei hatte ich mit, und vier hatte unser Kostas Konstantinidis am Wickel. Den habe ich dann angestoßen: Los, lies mal ein bisschen schneller. Die Bücher waren grandios. Ich habe mich immer gefragt, wo diese Frau ihre Fantasie hernimmt. Das ist unfassbar. Das vierte Buch war das beste, nicht mehr steigerungsfähig. Obwohl: Jetzt muss ja irgendwann das fünfte kommen.

Lesen Sie im Bett?

Nicht ausschließlich. Leider sind die Betten auf Reisen nicht immer optimal, das hat wohl auch etwas mit meiner Größe zu tun. Aber auch zu Hause habe ich keine richtige Lese-Ecke. Vielleicht kommt das jetzt, wenn ich noch mal umziehe und mehr Platz zur Verfügung habe.

Stapeln sich auf Ihrem Nachttisch die Bücher?

Nein. Manche lesen ja drei, vier Bücher gleichzeitig. Das mache ich nicht. Das könnte ich auch nicht.

Was lesen Sie zurzeit?

"About a Boy" und "High Fidelity", zwei Bücher von Nick Hornby. Vorher habe ich "Fever Pitch" von ihm gelesen. Muss man ja, als Fußballer. Großartige Geschichte. Neulich hat mir ein Motivationskünstler sein Buch geschickt, Jürgen Höller. "Sag ja zum Erfolg" heißt das Ding. Der Mann hatte meinen Artikel in der "Welt" gelesen und wollte wohl über mich ein bisschen Publicity bekommen. Dazu hat er mir einen Brief geschrieben: "Falls Sie nicht wissen, wer ich bin: Ich habe im letzten Jahr mal Bayer Leverkusen trainiert." Ha, ha.

Haben Sie geantwortet?

Nein, aber ich habe ein paar Tage mit dem Gedanken gespielt. Vielleicht hätte ich ihm schreiben sollen, dass ich der Herr Daum bin. Da fällt mir etwas anderes ein: Haben Sie "Das Wunder von Castel di Sangro" von Joe McGinniss gelesen?

Nein.

Das ist ein amerikanischer Journalist, der bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien die Faszination Fußball verinnerlicht und irgendwie hängen bleibt. Da Fußball in Amerika keine Nummer ist, begleitet er ein Jahr lang die Mannschaft von Castel di Sangro. Das ist ein kleiner Ort irgendwo oben in den Bergen, in den Abruzzen, wo man schlecht hinkommt mit dem Auto. Man denkt da an den SV Meppen, an einen Verein, der wirtschaftlich eigentlich nicht konkurrenzfähig ist, aber er spielt für seine Verhältnisse eine tolle Saison. Unglaublich komisch.

Haben Sie andere Fußballbücher gelesen?

Klar, als 12 bis 15-Jähriger vielleicht, wenn du schon siehst, dass du vielleicht ein bisschen mehr kannst als die anderen und in dir der Traum von der Bundesliga heranreift. Diese ganzen Heldengeschichten. Mein Gott, das waren Kinderbücher. Dann habe ich auch "Abpfiff" von Toni Schumacher gelesen, musste man damals ja, aber darüber müssen wir jetzt nicht weiter reden. Und Lothar Matthäus hat auch eins geschrieben, das habe ich mir geschenkt.

Leichte Literatur.

Ja, ich lese oft nur aus Unterhaltung. Sonst muss man Harry Potter nicht lesen, das ist ja nichts für den Geist, sondern für die Seele. Von der schweren Literatur habe ich genug. Mein Gott, wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke. Ich hatte Deutsch als Leistungskurs ...

Gibt es ein Buch, das Sie richtig gequält hat?

Ja, gab es - den Simplicissimus von Grimmelshausen. Unfassbar. Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, also in welchem Schuljahr, ich weiß nur noch, dass es unsere Aufgabe war, das Ding in den Sommerferien durchzulesen. Die waren ja sechs, sieben Wochen lang. Für mich war das definitiv nicht zu schaffen. Ich glaube, das Werk hat 600, 700 Seiten. Ich kann mich noch genau erinnern: Der erste Satz endet auf der dritten Seite. Ich bin nach den Ferien - heute darf ich das ja sagen - losgegangen und habe mir im nächsten Buchladen die Sekundärliteratur geholt.

Und das Gegenteil - ein Buch, das Sie positiv geprägt hat?

Ich gucke immer mal wieder in Dale Carnegie rein: "Sorge dich nicht, lebe!" Das hat mir persönlich ein paar Anstöße gegeben. Ich hatte es zuletzt bei der Nationalmannschaft dabei. Das war ein guter Zeitpunkt, da mal wieder reinzugucken.

Haben Sie ein Bücherregal zu Hause?

Ja, klar.

Wie groß ist es?

Ich habe etliche Bücher in Kisten, die noch darauf warten, ausgepackt zu werden. Wenn wir demnächst in eine größere Wohnung ziehen, werde ich mich nach und nach dranmachen. Also, ein paar hundert Bücher sind es schon.

Gucken Sie schon mal bei anderen Menschen ins Regal?

Ja, wenn ich denn eins finde. Ich habe das Gefühl, dass immer weniger Menschen lesen. Also ich mag rein optisch auch nicht diese klassische Bibliothek, diese riesigen Holzregale mit den schweren Lederbänden drin. Oder Bücher, die sich stapeln. Ich erinnere mich da an einen Jugendfreund von mir, dessen Vater war Lehrer. Und der hat so ein Paradezimmer gehabt. Mit Bücherregalen vom Boden bis zur Decke. Einfach schrecklich.

Haben Sie noch Bücher aus Ihrer Kindheit?

Klar. Auch ein paar Schulbücher, die legendäre Reclamsammlung und natürlich den Simplicissimus. Ich habe sogar noch ein Fremdwörter-Lexikon, das ich mir in der achten Klasse anschaffen musste, weil unser Lehrer meinte, nur noch mit Fremdwörtern um sich schmeißen zu müssen. Er fand sich chic dabei. Im Nachhinein muss sich sagen, dass das eine sehr gute Anschaffung war.

Werfen Sie Bücher weg?

Nein, aber das darf ich Ihnen eigentlich gar nicht verraten. Wenn das meine Frau liest ... Mit der musste ich schon den einen oder anderen Kampf ausfechten, das bringen die vielen Umzüge mit sich. Aber deswegen gleich ein Buch wegwerfen? Nein, das bringe ich nicht übers Herz, das hat doch auch immer mit Verlust zu tun, oder?

Verschenken Sie Bücher?

Ja, auch gelesene Bücher. Wenn ich der Meinung bin, dass einer dieses Buch unbedingt lesen muss, dann bringe ich es ihm mit. Ich kaufe gerne Bücher.

Bücher, die Sie mögen?

Einfach Bücher, die mich angesprochen haben oder die für die jeweilige Situation eines Freundes passen.

Gucken Sie schon mal hinten nach, wie eine Geschichte ausgeht?

Nein. Obwohl - nie will ich nicht sagen, das kennt ja jeder. Ich ertappe mich dabei, dass ich dann einen Hals auf mich habe. Aber die Versuchung ist schon da. Bei Harry Potter habe ich es neulich gemacht. Da habe ich den letzten Absatz gelesen, dann habe ich mir gesagt, dass ich mir das eigentlich hätte schenken können, weil die eigentliche Auflösung der Geschichte noch ein paar Seiten davor steht. Meistens kann ich mich aber beherrschen. Denn wenn ich schon weiß, wie es ausgeht, macht mir das ganze Lesen keinen Spaß mehr.

Michael Preetz (33) stürmt seit fast fün

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