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Sport: Im Land des Lächelns

Bundesregierung fordert vor der WM gute Laune

„Wenn das meine Mutter und mein Vater sehen würden“, sagte Lennart Johansson und stockte. Der mächtige Präsident des europäischen Fußballverbandes Uefa kämpfte gegen die Tränen in seinen Augen. Dann sprach der 75 Jahre alte Schwede auf Deutsch weiter. „Vielleicht sitzen sie ja oben im Himmel und schauen uns gerade zu.“

Ein Moment der Stille kehrte ein an diesem späten Freitagabend im sterilen Internationalen Kongresszentrum in Berlin. In einem mit Stoffbahnen und einer Deutschlandfahne geschmückten Gelass in der ersten Etage hatte sich die Elite des deutschen Fußballs und der Politik versammelt, um Johansson zu feiern – und ein bisschen sich selbst. Bundesinnenminister Otto Schily überreichte dem UefaChef das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland – inklusive einer Trageanleitung –, und Organisationschef Franz Beckenbauer spendete warme Worte für den Funktionär, der bei der entscheidenden Abstimmung mitgeholfen hatte, dass Deutschland die WM bekommt.

Da standen sie nun im doppelten Dutzend beieinander, die hohen Herren der Fußball-WM 2006 und lachten und kämpften gemeinsam an gegen die heruntergezogenen Mundwinkel, die ihnen draußen im Gastgeberland begegnen. „Wir haben schon 2,9 Millionen Bestellungen für Eintrittskarten“, jubelte der Vize des WM-Organisationskomitees, Wolfgang Niersbach, und zeigte zum Beweis die Zahl auf seinem elektronischen Notizbuch. „Unsere Spieler werden ein guter Botschafter des Landes sein“, versprach Nationalmannschafts-Manager Bierhoff. Und Egidius Braun, der Ehrenpräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), schüttelte unablässig Hände.

Die Welt zu Gast bei Freunden – so lautet das von den Entscheidungsträgern schon rituell beschworene Motto der WM. Damit das Volk auch so viel zu lachen hat, soll ihm ab diesen Sommer etwas Nachhilfe in Sachen Freundlichkeit zuteil werden. Mit einer groß angelegten Servicekampagne wollen die Organisatoren die Deutschen zu weltoffenen Gastgebern erziehen. „In manchen Cafés behandeln einen die Kellner noch so, als sei es eine große Gnade, eine Bestellung abzugeben“, bemängelte Schily. Nun sollen bald die nettesten Taxifahrer und Flughafenangestellten des Landes gesucht werden. Und die Bürger sollen zur WM Plaketten tragen, auf denen steht, welche Fremdsprache sie sprechen. Der Bund stellt drei Millionen Euro für das Programm bereit – aus dem Erlös der WM-Goldmünzen, mit denen schon die Standortkampagne „FC Deutschland 06“ finanziert wird. Auch das Haus von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement ist an der Kampagne beteiligt. „Die letzten finanziellen Hürden haben wir genommen“, verriet Fedor Radmann, der Berater des WM-Organisationskomitees.

Mit der eingeübten Freundlichkeit soll Deutschland „ein wenig mehr easy-going“ werden, wie Schily hofft. Wie sich die Organisatoren das vorstellen, war ein paar Schritte weiter im Großen Saal des ICC zu besichtigen. Da warfen zur Eröffnung der Internationalen Tourismus-Börse die Tänzerinnen des Friedrichstadtpalastes die Beine in die Höhe. Nach dem Auftritt rief Clement begeistert: „Das ist unser Land, wie ich es mir wünsche.“ In Einspielfilmen und Prospekten wurden die Deutschen als fröhliches, Wein und Kultur konsumierendes Volk dargestellt. „Wir werden dafür sorgen, dass die WM ein großes Ereignis wird“, versprach Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Eröffnungsansprache. Nur wenige Wochen nach dem WM-Finale findet die Bundestagswahl statt.

„Ich habe noch nie eine Regierung mit so vielen Fußballern gesehen“, wunderte sich Johansson, bevor er sich verabschiedete. Wie zum Beweis startete Schily am Ende noch seine persönliche Freundlichkeitsoffensive. Als die anderen schon gegangen waren, stand er noch auf einem Gang im ICC und berichtete von seiner größten Sorge im Kampf gegen die hängenden Mundwinkel: „Hoffentlich regnet es bei der WM nicht.“

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