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Sport: Im Rückwärtsgang

Auch in Hockenheim erfordert das geringere Interesse der Fans an der Formel 1 ein Umdenken

Auf riesigen Plakatwänden wird überall in Deutschland für den Grand Prix geworben, Zeitungen bekommen Tickets zum Verlosen angeboten. Das sind deutliche Zeichen. Dafür, dass auch in der Heimat des Weltmeisters Michael Schumacher die Formel 1 längst kein Selbstläufer mehr ist. Deshalb werden gewaltige Anstrengungen unternommen, um die teuren Tickets unter die Leute zu bringen.

„Der Vorverkauf hat in den letzten Wochen angezogen, aber Zahlen können wir noch nicht nennen.“ Hartmut Tesseraux, Sprecher der Hockenheimring GmbH, will sich wenige Tage vor dem Grand Prix von Deutschland noch nicht festlegen, wie stark der Andrang in diesem Jahr sein wird. „Wir hoffen auf das angekündigte schöne Wetter und damit auf das Tagesgeschäft.“ Knapp 250 000 kamen nach offizieller Zählweise im Jahr 2002 am kompletten Wochenende, vergangenes Jahr waren es 35 000 weniger. Eine Tendenz, die bis auf wenige Ausnahmen weltweit vorherrscht. Mindestens wieder die Vorjahresmarke zu erreichen, wäre schon ein Erfolg. In der Formel 1 selbst tut sich ohnehin im Moment nicht allzu viel, um für die Fans attraktiv zu sein: Eine eher langweilige WM, zudem ein Zeitplan und ein Reglement, die alles andere als zuschauerfreundlich sind.

Dazu kommen die hohen Eintrittspreise, die viele Fans abschrecken. Zwischen 125 (Stehplätze) und 410 Euro (Top-Plätze auf der Südtribüne) kosten die Wochenendtickets, der Hauptteil liegt in der mittleren Kategorie zwischen 235 und 270 Euro. Stehplätze gibt es an der Tageskasse auch für einzelne Tage: für 40 bis 90 Euro. Zum Vergleich: In der DTM werden Familientickets für das ganze Wochenende angeboten, für zwei Erwachsene und zwei Kinder kostet der Spaß 69 Euro – mit Tribünenplatz und Fahrerlagerzugang .

„Sicher haben die Leute vor ein, zwei Jahren diese Preise noch bezahlt, da war es nicht wesentlich billiger“, sagt Ex-Weltmeister Keke Rosberg, „aber da war auch die gesamtwirtschaftliche Lage besser, die Leute hatten mehr Geld in der Tasche“. Selbst Michael Schumacher hat gefordert: „Die Preise müssen wieder runter.“ Was aber nur geht, wenn auch Bernie Ecclestone seine Forderungen an die lokalen Veranstalter senkt. Denen bleibt finanziell kaum Spielraum. „So lange Michael Schumacher noch fährt, werden wir immer ein gewisses Stammpublikum haben, mit dem wir über die Runden kommen“, glaubt Tesseraux, „was danach passiert, ist eine andere Frage.“ Bis 2008 läuft der Vertrag von Hockenheim mit Ecclestone, so lange wird der Grand Prix auf der seit 2002 für 65 Millionen Euro umgebauten Strecke mit Sicherheit stattfinden. 15 Millionen kamen dabei als Zuschuss vom Land Baden-Württemberg, also aus Steuermitteln. Bis sich diese Investitionen bezahlt machen, braucht es noch einige Zeit.

Auch wenn der neue Rennkurs mit all seinen neuen Einrichtungen inzwischen 340 Tage im Jahr vermietet ist, oftmals an mehrere Kunden gleichzeitig, so bleibt doch „die Formel 1 die wichtigste Einnahmequelle“. Auch für das Umland: Etwa 45 Millionen Euro Umsatz bringt ein Grand-Prix-Wochenende der gesamten Region. Bei zwei Rennen in Deutschland – der Nürburgring-Vertrag läuft bis 2009 – muss sich Hockenheim nicht nur gegen die neuen Konkurrenten wie Bahrain oder China durchsetzen. Die Zahl der Fans, die sich mehrere Rennen pro Saison leisten können und wollen, wird aber immer kleiner. Solange man an den Rahmenbedingungen nichts ändern kann, versuchen die Veranstalter, wenigstens das Angebot zu verbessern: Ein Boxenspaziergang am Donnerstag für Inhaber von Wochenendtickets, Bustouren über die Strecke, bei denen die Fans den Kurs genau kennen lernen können, Autogrammstunden mit Formel-1-Fahrern, Fan-TV auf Videowänden mit einem Blick hinter die Kulissen, Shows mit Dragstern, Bungee-Jumping im Erlebnispark und so weiter.

Dennoch bleiben viele Fans zu Hause und schalten einfach den Fernseher an: Schumachers zehnten Saisonsieg in Silverstone am 11. Juli sahen bei RTL im Schnitt 9,75 Millionen Zuschauer live, was einem Marktanteil von 50,5 Prozent entsprach. Im Vorjahr hatten 1,51 Millionen Zuschauer weniger das Rennen in Silverstone verfolgt.

Den Besuchern deutlich mehr zu bieten, das ist auch der Ansatz von Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Auf und hinter der eigenen Mercedes-Tribüne (Preise zwischen 320 und 440 Euro). In Hockenheim lässt Mercedes Pop-Bands auftreten, es gibt Autogrammstunden und Interviews mit den Silberpfeil-Piloten, Gewinnspiele und anderes Unterhaltsames mehr. Die Langeweile der Schumacher-Dauersiege würde Haug mit seinen wieder erstarkten Silberpfeilen zu gern auch beenden. Ansonsten herrscht bei ihm Übereinstimmung mit den Hockenheim-Veranstaltern: „Wir tun, was wir können.“

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