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Sport: In der Unglücksspirale

Der Deutsche Sportbund sucht in Bremen nach Auswegen aus der Finanzkrise

Das Glück lag auf jedem Tisch. Jeder Delegierte, der zur Vollversammlung des Deutschen Sportbundes (DSB) nach Bremen gereist war, fand am Samstag auf seinem Platz im Kongresssaal ein Los der Glücksspirale. „Ich wünsche uns allen große Gewinne“, sagte Tagungsleiter Ulrich Feldhoff zur Begrüßung. Auf die sind die deutschen Sportfunktionäre derzeit angewiesen. Denn der DSB, mit 27 Millionen Mitgliedschaften die größte Sportorganisation der Welt, leidet unter erheblichen Finanzproblemen. Schuld daran ist auch die Glücksspirale, von deren Erlösen der Sportbund seit Anfang der Siebzigerjahre profitiert. Inzwischen gehen die Einnahmen kontinuierlich zurück, von neun Millionen Euro vor vier Jahren auf etwa 4,8 Millionen Euro in diesem Jahr. „Diese Einnahmen sind für den Sport nicht mehr kalkulierbar“, räumte DSB-Präsident Manfred von Richthofen ein, der sich auf dem Kongress kritische Fragen zur wirtschaftlichen Situation seines Verbandes gefallen lassen musste.

Sogar der Ehrengast fand in Bremen deutliche Worte. Bundesinnenminister Otto Schily, der unmittelbar vor der Vergabe der Leichtathletik-WM 2009 in Bremen vorbeischaute, mahnte Strukturreformen im organisierten Sport an. „Es ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, dass mehr als 120 Gremien für den Leistungssport zuständig sind“, sagte Schily. „Hier muss gründlich aufgeräumt werden.“ Bei den Delegierten rührten sich da nur wenige Hände zum Beifall. „Na, das kommt ja sehr zögerlich“, rügte der Minister.

Schon am Vorabend hatten viele Funktionäre verunsichert gewirkt. Beim „Bremer Lotto- und Totoabend“, einem Empfang mit Musik, Show und Tanz, ging es an den meisten Tischen um ein ernstes Thema: die aktuellen Sparmaßnahmen der Verbandsführung. Demnach sollen die derzeit 130 Mitarbeiter – inklusive Sportjugend – in den kommenden zwei Jahren auf 110 reduziert werden. Elf Angestellte haben bereits einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt, und von vielen Gästen wurde die Frage diskutiert: Wer ist der Nächste? „Jetzt kann ich verstehen, wie sich die Leute bei Karstadt und bei Opel fühlen“, sagte ein hoher Funktionär hinter vorgehaltener Hand. In der Konferenz der Landessportbünde gab es ebenfalls eine erregte Debatte. „Wir können nicht jedes Jahr mit einem Defizit kalkulieren“, schimpfte Peter Hanisch, Präsident des Berliner Landessportbunds. Der Haushalt für das kommende Jahr, der ein Defizit von 2,2 Millionen Euro ausweist, wurde schließlich bei 80 Enthaltungen von der Vollversammlung genehmigt. Vor allem die Wintersportverbände meldeten Bedenken an, dass durch die Einsparungen der Bereich Leistungssport unverhältnismäßig geschwächt werde.

Die Verbandsführung um Manfred von Richthofen hofft nun, dass sich bei einer Fusion mit dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) die Einnahmesituation verbessert. Denn bislang können die fehlenden Erlöse der Glücksspirale nicht durch Sponsorenmittel wettgemacht werden. „Die Erträge unserer bisherigen Vermarktung sind zu vernachlässigen“, kritisierte Schatzmeister Rolf Wallenhorst. In den kommenden Wochen soll deshalb der gesamte Bereich umgebaut werden. Bei einem Zusammengehen mit dem NOK, das von Richthofen bis 2006 anstrebt, erhoffen sich viele Funktionäre neue Geldquellen. Auch aus diesem Grund wirbt die Bundesregierung, die sich mit den Sportverbänden gerade auf eine Verringerung der Bundesstützpunkte verständigt hat, für ein Ende des Nebeneinanders der Verbände. „Die Reform darf nicht durch persönliche Eitelkeiten scheitern“, sagte Schily.

Als der Minister das Tagungszentrum in Bremen verließ, bot er den Sportfunktionären noch seine persönliche Hilfe an. „Wenn ein Vermittler gebraucht wird, biete ich mich an“, sagte Schily. Auch beim Glück will der Minister ein wenig nachhelfen: „Ich werde mir wohl wieder öfter ein Los der Glücksspirale kaufen.“

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