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Sport: In Schieflage geraten

Erstmals bleiben die deutschen Leichtathleten bei einer Hallen-WM ohne eine einzige Medaille

Er wollte die Ehre der deutschen Stabhochspringer retten, was ja nun eine Aufgabe ist, die einem Tim Lobinger gefallen muss. Die ihm quasi auf den Leib geschneidert ist. Und als Kapitän der jungen, deutschen Mannschaft hätte der 35-Jährige dabei auch gleich den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) vor einem Debakel bewahren können. Doch dann verpufften Lobingers Bemühungen im Palau Velodromo Luis Puig von Valencia: Als die Medaillen vergeben wurden, packte Lobinger bereits seine Sachen. Geschockt. Stoisch ruhig. Mit versteinertem Blick und leeren Händen. Der Münchner beendete die Hallen-Weltmeisterschaften der Leichtathleten als Fünfter. Und das hieß: Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) blieb erstmals bei den seit 1985 ausgetragenen Hallen-Weltmeisterschaften ohne Medaille.

Gold im Stabhochsprung gewann der Russe Jewgeni Lukjanenko mit 5,90 Metern, Silber der US-amerikanische Freiluft-Weltmeister und Titelverteidiger Brad Walker (5,85) und Bronze ging an den Australier Steven Hooker (5,80). Aber es lag ja nicht nur an Lobinger: Auch die anderen beiden deutschen Medaillenhoffnungen des letzten Tages von Valencia wurden den Erwartungen nicht gerecht. „Ich bin wütend auf mich selbst“, schimpfte die Kugelstoßerin Christina Schwanitz aus Neckarsulm nach Platz sechs. Hochspringerin Ariane Friedrich aus Frankfurt am Main liefen die Tränen übers Gesicht, als sie ihren achten Platz kommentierte: „Das ist eine Katastrophe.“ Schwanitz war als Dritte der Weltrangliste, Friedrich als Zweite angereist. Die 24-jährige Friedrich war in dieser Hallensaison schon viermal über zwei Meter geflogen, scheiterte in Valencia aber dreimal an 1,95 Metern und musste sich mit 1,93 Metern begnügen.

DLV-Cheftrainer Jürgen Mallow wollte am Ende nicht von einer Katastrophe sprechen. Dass die deutsche Mannschaft zum ersten Mal leer ausging, machte er den Athleten nicht zum Vorwurf, auch wenn das „schade für die deutsche Leichtathletik“ sei. Den Olympischen Spielen im Sommer in Peking sehe er trotz des schlechten Abschneidens nicht zweifelnd entgegen. „Da gibt es keine Verbindung.“

Tim Lobinger sprach sogar von einem „guten Wettkampf“, der für ihn „leider nicht gut genug“ verlaufen sei. Er fand aber auch gleich eine Möglichkeit, von sich selbst abzulenken: „Die Atmosphäre hier werde ich sicher nicht vermissen, unser Wettkampf ist komplett untergegangen.“ Und was die Ehre der deutschen Stabhochspringer anginge: Die sei ja schon mit der Finalqualifikation zu 80 Prozent gerettet gewesen. Im Finale war der 35-jährige Münchner ausgerechnet an der Höhe gescheitert, von der er geglaubt haben muss, sie im Schlaf springen zu können. 5,80 Meter hatte er in diesem Winter in Serie überflogen. In Valencia wollte er neben der Ehre seiner Kollegen auch die eigene noch ein bisschen aufpolieren: Sein hundertster Wettkampf mit einem Resultat von 5,80 Metern oder höher sollte das werden. Die Qualifikation hatte Lobinger noch so souverän gemeistert wie keiner seiner Konkurrenten. Zwei Sprünge, zwei gültige Versuche. Fertig. Der Australier Steven Hooker kommentierte das im Vorbeigehen mit den Worten: „Das sieht gut aus bei dir Tim.“

Gestern Abend dann sah der Sechs-Meter-Springer aus Australien mit den grell grünen Hosen und den blonden Locken besser aus, indem Hooker Bronze gewann. Tim Lobinger muss also weiter davon träumen, wieder einmal sechs Meter hoch zu fliegen. „Ich will mir selbst beweisen, dass ich auch im Alter noch lernen kann“, sagte er gestern. Er plant für Olympia 2008, für die Weltmeisterschaft in Berlin 2009 und auch einen Start bei den Olympischen Spielen 2012 in London hält Lobinger nicht für ausgeschlossen. Nach zwei EM- und einem WM-Sieg in der Halle fehlt dem deutschen Rekordhalter (6,00 Meter) noch immer ein Freiluft-Titel. Vielleicht klappt es ja damit demnächst, nachdem es bei den verpatzten Titelkämpfen in der Halle bei Lobinger und seinen Kollegen aus dem DLV–Team überhaupt nicht geklappt hat.

Susanne Rohlfing[Valencia]

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