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Sport: „Ingo Steuer darf nicht nach Turin“

DSB-Chef Richthofen zum Olympia-Ausschluss

Herr von Richthofen, um die Stasi-Mitarbeit des Eiskunstlauftrainers Ingo Steuer ist eine heftige Debatte entbrannt. Soll Steuer zu den Olympischen Winterspielen nach Turin fahren oder nicht?

Aus meiner Sicht darf Ingo Steuer nicht zur deutschen Olympiamannschaft gehören. Die Stasi-Kommission des deutschen Sports hat die Empfehlung ausgesprochen, ihn wegen seiner Mitarbeit für die DDR-Staatssicherheit aus dem Olympiateam auszuschließen. Diese Empfehlung ist nach einer eingehenden Überprüfung des Vorgangs durch unabhängige Experten geschehen. Deshalb vertraue ich dem Urteil voll und ganz.

Haben Sie die Stasi-Akte von Herrn Steuer studiert?

Nein, aber das muss ich auch nicht. Dafür haben wir ja eine unabhängige Kommission. Ich habe mich von den Fachleuten und vom Nationalen Olympischen Komitee genau über den Vorgang informieren lassen. Einen Sachverhalt fand ich dabei besonders aufschlussreich: Bei den Befragungen der Kommission hat Steuer immer nur das zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war.

Herr Steuer sagt, er habe als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen „Torsten“ niemandem geschadet.

Diesen Spruch kennen wir von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern leider zur Genüge. Das Problem ist doch, dass ein IM gar nicht einschätzen kann, ob seine Berichte jemandem geschadet haben. Die Stasi hat schließlich ihren Informanten nicht Bescheid sagt, was sie mit den Informationen angefangen hat.

In Steuers Heimat Chemnitz sind viele gegen seinen Olympia-Ausschluss.

Das sind Reflexe, die wir von anderen Stasi-Debatten schon kennen. Natürlich kann die Gesellschaft diskutieren, ob sie 16 Jahre nach dem Fall der Mauer einen Schlussstrich ziehen sollte und die Birthler-Behörde in ein Archiv überführt, das keine Überprüfungen mehr durchführt. Ich persönlich bin aber dagegen. Denn lieber zu spät aufarbeiten als gar nicht.

Haben Sie deshalb 1995 die Stasi-Kommission des deutschen Sports eingerichtet?

Natürlich. Der Sport kann schließlich nicht einfach über die Vergangenheit seiner Protagonisten hinweggehen. Es gab damals zu viele Streitfälle, als dass man sie alle im Präsidium des Deutschen Sportbundes oder des Nationalen Olympischen Komitees hätte besprechen können. Deshalb haben wir Fachleute hinzugezogen, die die Akten einschätzen können und die Personen eingehend befragen. Es geht hier schließlich um moralische Fragen. Ein Trainer muss sich auch durch einen einwandfreien Charakter auszeichnen. Das scheint mir bei Ingo Steuer nicht der Fall zu sein.

Als Eiskunstläufer, der Medaillen bringt, war Ingo Steuer dem Sport allerdings noch gut genug. Gemeinsam mit seiner Partnerin Mandy Wötzel holte er 1997 den WM-Titel für Deutschland.

Damals lag die Stasi-Akte im vollem Umfang noch nicht vor. Jetzt hat man ein anderes Bild von Herrn Steuer. Das ist übrigens im Laufe der Überprüfungen durch die Stasi-Kommission schon öfter vorgekommen. Ich möchte keine Namen nennen. Aber ich habe es selbst erlebt: Man kann sich auch in Personen täuschen, man kann auch durch die Wirklichkeit korrigiert werden.

Am Montag verhandelt das Berliner Landgericht darüber, ob Steuer nach Turin fahren darf oder nicht. Welche Entscheidung erwarten Sie?

In unserem Rechtsstaat ist es möglich, dass jeder, der sich ungerecht behandelt fühlt, vor Gericht ziehen kann. Bislang sind aber in der juristischen Auseinandersetzung noch nicht die Argumente des Nationalen Olympischen Komitees gehört worden. Ich denke, dass das NOK gute Argumente dafür hat, Ingo Steuer nicht mit zu den Olympischen Winterspielen zu nehmen. Stasi-Mitarbeiter, die mit der Weitergabe von Informationen eine Schädigung anderer Personen billigend in Kauf genommen haben, dürfen nicht Teil einer deutschen Olympiamannschaft sein.

Das Gespräch führte Robert Ide.

Manfred von Richthofen, 71, ist Präsident des Deutschen Sportbundes. Auf seine Initiative wurde 1995 die Stasi-Kommission des Sports eingerichtet, die Athleten und Funktionäre überprüft.

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