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Howman

© AFP

Interview: Doping: „Es ist wenig wahrscheinlich, dass jemand einfach davonkommt“

David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur, über schmutzige Spiele, Chinas Anti-Doping-Programm und die Kontrollen in Peking.

Mister Howman, manche sprechen davon, dass uns die schmutzigsten Olympischen Spiele aller Zeiten bevorstehen, andere von den saubersten. Was erwarten Sie?

Wir werden in Peking das beste Kontrollsystem haben, das es je gab. Aber ob es schmutzige oder saubere Spiele werden, können nur die Athleten beantworten.

Abgesehen von der Zahl der Dopingkontrollen, die um 900 auf 4500 gestiegen ist: Was hat sich seit den Spielen von Athen vor vier Jahren verbessert?

In Athen kam der Wada-Code zum ersten Mal zur Anwendung. Jetzt kann kein Athlet der Welt mehr sagen: Ich habe von nichts gewusst. Wenn man also in Peking jemanden erwischt, ist das mit großer Wahrscheinlichkeit jemand, der ganz bewusst gedopt hat.

In Athen gab es sehr unappetitliche Manipulationsversuche, zum Beispiel die „ungarische Methode“, mit der Fremd-Urin über einen Schlauch abgegeben wurde. Kann man jetzt absolut sicher sein, dass kein Athlet so etwas anwendet, ohne erwischt zu werden?

Sie können im Leben nie zu 100 Prozent sicher sein. Aber wir sind ziemlich sicher, dass keiner mehr so etwas benutzt. Allerdings müssen wir darauf gefasst sein, dass manche sich Urin in die Harnblase füllen, ohne dafür eine Vorrichtung wie in Athen zu benutzen. Da müssen wir mit anderen Tests arbeiten, zum Beispiel einem DNS-Abgleich.

Haben Sie von neuen Methoden gehört?

Wir hören eine Menge. Diese Informationen müssen wir prüfen und weitergeben. So wie bei den Winterspielen 2006 in Turin, als wir Informationen über die österreichischen Biathleten bekommen hatten und sie dann ans IOC und an die italienische Polizei weitergegeben haben.

Was wird das größte Problem in Peking: Anabolika? Epo? Wachstumshormone? Blutdoping?

Wir sehen kein besonderes Problem, das über den anderen steht. Bei Veranstaltungen, bei denen man Athleten aus der ganzen Welt trifft, findet man ganz unterschiedliche Substanzen und Methoden: Epo in minimalen Dosen, Testosteronpflaster, Cocktails. Und andere vertrauen noch auf Mittel aus den achtziger Jahren.

Müssen Athleten, die solche Mikrodosen von Epo oder Testosteronpflaster nehmen, wirklich einen Dopingtest fürchten?

Es zählt nicht nur Test im Wettkampf. Das IOC unterhält ein ziemlich intensives Programm und kontrolliert auch im olympischen Dorf. Es ist wenig wahrscheinlich, dass jemand einfach so davonkommt.

Aber Doping mit Eigenblut können Sie auch so nicht beweisen.

Da haben Sie Recht. Aber wenn jemand verdächtig ist, gibt es andere Wege, um an Beweise zu kommen. Das hat die österreichische Mannschaft in Turin zu spüren bekommen. Geräte zur Bluttransfusion zu finden ist genauso wichtig, wie eine Substanz im Körper eines Athleten. Wie wir im Englischen sagen: Es gibt mehrere Wege, einer Katze das Fell über die Ohren zu ziehen.

Der ehemalige Wada-Präsident Richard Pound hat den Chinesen 8,5 bis 9 Punkte von 10 für ihre Bemühungen gegen Doping gegeben. Wie viel würden Sie ihnen geben?

Ich bin kein Kampfrichter, also kann ich keine Punkte vergeben. Aber die Chinesen haben ihr nationales Anti-Doping-Programm verbessert. Und sie haben sich die Ratschläge genau angehört, die sie von Pound und in diesem Jahr von Pounds Nachfolger John Fahey bekommen haben. Es wäre schrecklich für sie als Gastgeber, wenn einer ihrer Athleten als Betrüger enttarnt würde. Ich denke, dass die Chinesen jeden möglichen Schritt unternommen haben, um sicherzustellen, dass dies nicht passiert.

Das mag auf nationaler Ebene so sein, aber China ist ein riesiges Reich mit lauter Provinzen, die ihr eigenes Leben führen.

Das ist eine Sache, über die die westliche Welt sehr besorgt ist. Weil man einfach nicht weiß, was in so einem großen Land mit einer so großen Bevölkerung vor sich geht.Und es ist das erste Mal, dass die westliche Welt mit dem Sport in China vertraut gemacht wird. Also werden verschiedene Mutmaßungen angestellt. Wir sind nicht dafür da, um der Welt zu versichern, dass es in jeder Provinz Chinas ein professionelles Anti-Doping-Programm gibt. Unsere Aufgabe ist es, das nationale Programm zu überwachen.

Und ist das Programm ausreichend?

Man kann nie sagen, was ausreicht. Ich kann vielleicht auch in Ihr Land kommen und sagen: Das Programm genügt nicht. Aber was wir tun, ist, es abzugleichen mit dem, was andere tun, und das ist befriedigend. In den vergangenen 18 Monaten hat sich kein einziger internationaler Verband bei uns beschwert.

Viele Athleten sind in Militärcamps stationiert. Ist es da nicht schwer oder fast unmöglich, Kontrollen zu machen?

In vielen Ländern werden Athleten bei Sicherheitsbehörden oder der Armee abgeschirmt. Seien Sie vorsichtig! In China ist es nicht anders als in der Ukraine, Russland oder Chile. China herauszunehmen und zu sagen, nur China hat diese Probleme, ist falsch.

Aber abgesehen von der Größe: Sehen Sie keine Unterschiede zwischen China, Deutschland oder den USA?

Sie unterscheiden sich durch die Art, wie sie regiert werden. In den vergangenen Jahren gab es auch in den USA und in Deutschland Probleme mit den nationalen Anti-Doping-Agenturen. Glauben Sie nicht, dass ein Land immun ist.

Haben Sie über Fortschritte gehört bei der Bekämpfung der Dopingmittelproduktion?

Haben wir, und diese Angelegenheit ist uns auch sehr wichtig. Wir haben keine eigenen Leute in China, aber uns wurde gesagt, dass alle unsere Informationen von den Chinesen berücksichtigt und viele Fabriken geschlossen wurden.

Wenn Sie nun an alle Punkte zu China denken: riesiges Land, technisches Know-how, autoritäres Regime, keine Tradition in der Dopingbekämpfung: Gibt ihnen das ein mulmiges Gefühl für die Spiele?

Nein, wir haben kein mulmiges Gefühl. Wir wissen, dass die für die Dopingbekämpfung zuständigen Leute so gut sind wie in anderen Ländern auch. Wir glauben, dass das Anti-Doping-Programm deshalb sehr erfolgreich sein wird.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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