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Die letzten fünf Spiel konnte Nagelsmanns Team nicht gewinnen.

© dpa

Interview mit Hoffenheims Trainer: Julian Nagelsmann: "Der rote Mantel ist bei Ebay"

Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann über seine Zukunft in Hoffenheim, Gespräche im Supermarkt und tendenziöse Meinungsmache.

Sie sind am Wochenende zwei Jahre Chefcoach in Hoffenheim. Welche Bilder haben Sie beim Rückblick vor Augen?

Wir haben hier in den zwei Jahren fast alle Extreme des Fußballs erlebt - zwischen großer Abstiegsangst bis hin zum größten Erfolg der Vereinsgeschichte mit vielen Rekorden. Das war auch verbunden mit einem positiven Stimmungswandel im Stadion. Das dritte, das es im Fußball gibt, ist das tabellarische Mittelmaß. Darin bewegen wir uns aktuell. Von daher waren es bunt gemischte zwei Jahre, die große Lust auf mehr machen.

Wie haben Sie sich als Trainer verändert?

Im Grunde bin ich immer noch der Gleiche. Aber klar, die Medienwelt verändert einen schon ein bisschen. Ich habe immer gesagt, dass ich darauf vorbereitet bin, was passiert. Ich weiß, wie das Geschäft funktioniert. Trotzdem ist es manchmal erschreckend und ein abstruses Gefühl, was da so passiert. Wie man als Mensch beurteilt und in ein Schwarz-Weiß-Schema gepresst wird. Wie sich das vervielfältigt und wie einem dann manche im Supermarkt mit einer Meinung gegenübertreten, die irgendwo geschrieben stand. Seitdem verstehe ich, wie Meinungsbildung über gewisse Blätter betrieben wird und lese jeden Artikel ganz anders. Weil ich weiß, das nicht alles an der Realität ausgerichtet wird, was dort geschrieben steht - ob es in der Politik ist, in der Wirtschaft oder im Sport. Da wird teilweise schon eine tendenziöse Meinungsmache betrieben, die Menschen kaputt machen kann.

Aber Sie haben doch auch vom Hype um ihre Person profitiert, nicht nur finanziell? Plötzlich sind Sie ein Star-Trainer in der Bundesliga.

Ich sehe mich da auch gar nicht in der Opferrolle. Natürlich wurde ich in guten Phasen extrem gut dargestellt. Das, was ich vergangenes Jahr gesagt habe, dass vieles zu positiv beschrieben wird, das geht jetzt extrem in die negative Richtung - auch wenn ich noch derselbe Trainer bin. Das ist schon gewöhnungsbedürftig und verändert einen auch.

Wie spiegelt sich dieser Stimmungswandel im Alltag wieder?

Vor ein paar Tagen kam eine Frau im Supermarkt auf mich zu und sagte: 'Jetzt sollten Sie vielleicht in München schon gewinnen, wenn Sie noch länger hier Trainer sein wollen.'

Wie haben Sie darauf reagiert?

'Wenn Sie das sagen, dann probieren wir das.'

Sie haben gesagt, wenn ich mich so verbiegen muss, dass ich nicht mehr ich selbst bin, höre ich auf. Wie nahe dran waren Sie da?

Es gab schon Momente, in denen ich gesagt habe: Wenn's schlimmer wird, dann mach ich es nicht länger. Wenngleich ich nie gesagt habe, ich bin kurz davor, alles hinzuschmeißen. Aber wenn es die Familie mit beeinflusst, ist das nicht schön. Es gab einige Aussagen, die mir extrem um die Ohren gehauen worden sind. Ich bin ein Mensch, der auch mal Antworten voller Ironie gibt. Aber die werden eben oftmals nicht so verstanden.

Nach dem Winter-Abgang Sandro Wagner werden im Sommer zumindest auch Serge Gnabry und Mark Uth gehen. Auch so gesehen kann es nicht weiter steil bergauf gehen. Wo liegen da für Sie persönlich noch Reiz und Perspektive in Hoffenheim?

Stand jetzt geht keiner außer den beiden. Der Reiz liegt darin, die positive Entwicklung der vergangenen Jahre zu bestätigen. Der ganz große Reiz liegt für mich auch darin, wieder ein schlagkräftiges Team zu formen und vor allem Spielern den Traum zu erfüllen, den ich selbst einmal hatte: Wir haben jetzt wieder drei Nachwuchsspieler mit Profiverträgen ausgestattet. Die gilt es zu integrieren und zu entwickeln. Alles in allem: Ich bin immer noch top motiviert und will begeisternden Fußball bieten mit dem Team.

Nach den Spekulationen um ihre Person im Zusammenhang mit Bayern München und Borussia Dortmund haben Sie gesagt: Wenn Dietmar Hopp und Hansi Flick wollen, dass ich meinen Vertrag bis 2019 erfülle, dann erfülle ich ihn ...

Genau! So machen wir es. Ich habe den Vertrag damals in vollem Bewusstsein unterschrieben. Dass immer mal wieder Anfragen kommen oder Vereine Ideen haben, das ist ganz normal. Auch dass man sich damit auseinandersetzt. Ich habe Herrn Hopp auch gesagt, dass ich top motiviert bin.

Würden Sie sich noch mal im roten Mantel auf die Tribüne in die Münchner Allianz Arena setzen oder ein Spiel der Dortmunder im Stadion anschauen?

Mein Beruf ist Fußballtrainer. Das Spiel der Dortmunder in Mainz habe ich mir angeschaut, weil es das erste Spiel von Peter Stöger war. Wenn ich da nicht bin und wir verlieren gegen Dortmund, dann heißt es: 'Das Spiel ist 120 Kilometer weg und er schaut es sich nicht an. Hat Nagelsmann mit Hoffenheim schon abgeschlossen?' Es gehört schlicht zu meinem Job, den Gegner zu beobachten. Ich würde vielleicht nicht mehr den roten Mantel anziehen in München. Nicht weil er mir nicht mehr gefällt. Ich finde ihn immer noch schön, aber ich habe ihn bei ebay reingestellt. Mal schauen, ob ihn einer gekauft hat.

Das Gespräch führte: Ulrike John (für dpa).

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