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Interview: Vedad Ibisevic: „Katastrophen sind etwas anderes“

Vedad Ibisevic riss sich im Januar das Kreuzband im rechten Knie. Im Tagesspiegel-Interview spricht der 24-jährige Stürmer über seine Genesung, die Probleme der TSG Hoffenheim – und den Bosnienkrieg.

Herr Ibisevic, elf Wochen nach Ihrem Kreuzbandriss trainieren Sie bereits wieder. Wann greifen Sie für die TSG Hoffenheim in der Bundesliga wieder an?

Ich habe zwar ein gutes Gefühl und mein Knie ist stabil, aber ich muss vorsichtig sein. Ich habe auf der Laufbahn im Kraftraum mit leichtem Joggen angefangen.

Sie wollen sich keinen Zeitpunkt für Ihre Rückkehr setzen?

Ich will die Dinge nicht komplizierter machen, als sie sind. Ich freue mich über die kleinen Schritte, die ich mache.

Gab es einen besonderen Moment seit der Verletzung?

Eigentlich zwei: den, als ich das erste Mal wieder alleine aufs Klo konnte, und den, als ich die Krücken weglegen konnte. Das war was! Und jetzt joggen und Rad fahren: Vor der Verletzung war mir nicht bewusst, wie schön das ist. Du stellst dir den Tag vor, an dem du wieder auf den Rasen zurückkehrst – das motiviert ungemein.

Liegt es an dieser Motivation, dass Sie in Ihrer Genesung schon so weit sind?

Ich glaube grundsätzlich, dass viele Dinge sich im Kopf mitentwickeln. Auch oder gerade wenn man in einem solchen Heilungsprozess steckt. Wenn man nach vorne schaut und nicht dauernd an das verletzte Knie denkt, geht es viel besser. Lachen hilft da auf alle Fälle. Ich hab am Tag nach der OP damit angefangen.

Als Jugendlicher mussten Sie mit Ihrer Familie vor dem Krieg in Bosnien flüchten. Hilft Ihnen diese Erfahrung heute, Probleme wie eine Verletzung zu verarbeiten?

Man empfindet nicht alles gleich als Katastrophe. Wenn man mal nicht spielt zum Beispiel. Es gibt Katastrophen, aber das ist etwas anderes, als auf der Bank zu sitzen. Früher haben wir Fußball gespielt und Pause gemacht, wenn die Bomben fielen. Wir haben mit kaputten Schuhen gespielt und die Bälle waren auch nicht besonders. Wenn es kalt war und Schnee lag, haben wir Plastiktüten über Schuhe und Strümpfe gezogen und gespielt.

Ihre Verletzung kam nach einer Hinrunde, in der Sie 18 Tore in 17 Spielen geschossen hatten. Haben Sie jemals daran gedacht, was passiert wäre, wenn Sie sich nicht verletzt hätten? Sie hätten den Rekord von Gerd Müller aus der Saison 1972/73 mit 40 Toren einholen können.

Ich habe mich schon gefragt: Warum nur jetzt? Aber mir wurde schnell klar: Es gibt keinen idealen Zeitpunkt für einen Kreuzbandriss. Wenn es vor einem Jahr passiert wäre, wäre es noch schlimmer gewesen. Ich hätte keine 18 Tore geschossen, keiner hätte mich mit Müller verglichen.

Haben Sie sich in der Hinrunde gefragt, warum es plötzlich so gut lief in Ihrem Spiel? Zuvor gab es Jahre, da trafen Sie nur fünf oder sechs Mal.

Ich habe sicher auch von der Euphorie profitiert, die uns alle hier in Hoffenheim getragen hat. Aber ich habe mich auch auf das Wesentliche konzentriert und nicht etwa gerechnet, wie viele Tore noch fehlen zu Müllers Rekord.

Ist es die größte Herausforderung, locker zu bleiben?

Es war schon einfacher, während der ersten drei Spieltage Tore zu machen. Die Geschichte der ganzen Mannschaft ist größer geworden und meine auch – es war nicht einfach, das auszublenden.

Inter Mailand wollte Sie, Manchester United dachte über Sie nach – kommt da nicht die Lust auf, einmal bei einem ganz großen Klub zu spielen?

Für mich zählt Hoffenheim und meine Rückkehr auf den Rasen. Ich habe hier einen Vertrag bis 2010, den ich erfüllen will. Es gibt aber schon Gespräche mit Hoffenheim. Aber jetzt weiß ich noch nicht, was passieren wird.

Nach Ihrer Verletzung in der Winterpause kamen viele weitere Verletzte bei Hoffenheim dazu. Ist das eine Folge davon, dass der Aufsteiger in der Hinrunde oft über die Belastungsgrenze gegangen ist?

Das ist schwierig zu sagen. Aber es stimmt, so ein Aufstieg setzt Kräfte frei und dazu kamen dann die Erfolge. Wir haben uns einfach rundum wohlgefühlt. Es war ein Lauf, der dir immer wieder Energie gibt.

Nach dem Höhenflug der Vorrunde tat sich Ihre Mannschaft zuletzt schwer.

Für all die Probleme, die wir hatten und haben, reagiert die Mannschaft erstaunlich gut und ruhig. Es war uns immer klar, dass es nicht so weitergeht. Und noch eines ist eine Tatsache: Obwohl so viele Spieler fehlen und alle sagen, Hoffenheim stürzt ab, haben wir in der Rückrunde erst ein Spiel verloren.

Und wer wird jetzt an Ihrer Stelle Torschützenkönig?

Es ist schwer, über so ein Thema nachzudenken, wenn man im Aufbautraining steckt. Aber ich glaube, Patrick Helmes aus Leverkusen steht am Ende vorne.

Interview: Oliver Trust

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