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Sport: Irrungen, Verwirrungen

Vieles lief schief bei der Reise der deutschen Fußballer nach Sarajevo – besonders für Christian Wörns

Von Stefan Hermanns

Sarajevo. Der Abend der großen Verwirrungen endete doch noch mit einer eindeutigen Aussage. Zu mitternächtlicher Stunde versammelte Harald Stenger, der Sprecher des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die Journalisten auf dem Flughafen von Sarajevo um sich und unterrichtete sie über den Sachstand. Bis dahin hatte es nur Spekulationen gegeben, warum das Flugzeug aus Deutschland nicht hatte landen dürfen und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erst am nächsten Morgen in die Heimat zurückfliegen konnte. Zum Beispiel die, dass der französische Kommandant des Flughafens der Maschine die Landung untersagt habe, um sich für das enttäuschende Abschneiden der französischen Elf bei der WM zu rächen.

In Wirklichkeit, so berichtete Stenger, habe der Pilot gesagt, er könne nicht landen, woraufhin der DFB-Pressechef „von einigen Ungereimtheiten bei unserem Vertragspartner“ sprach. Der Vertragspartner, die LTU, hatte die Nationalmannschaft zum ersten Mal zu einem Länderspiel geflogen, und da ist es natürlich doppelt ärgerlich, wenn die neue Geschäftsbeziehung nicht gleich wunschgemäß funktionierte. Am nächsten Morgen, beim geglückten Rückflug, konnten die Passagiere daher in einer Presseerklärung nachlesen, was am Abend wirklich passiert war. Kein feiger Pilot, sondern höhere Gewalt hatte die Landung verhindert. Alle Details waren minutiös aufgeführt, vom Start der Maschine in München (21.43 Uhr) bis zur geringen Wolkenhöhe (700 Meter) über Sarajevo, die die Sicht derart stark beeinträchtigt hatte, dass eine Landung unverantwortlich gewesen wäre. Das Flugzeug musste schließlich abdrehen, während die Nationalspieler in ihre alten Hotelzimmer zurückkehrten.

Detaillierte Information solcher Art hatte es nach dem 1:1 der Deutschen im Länderspiel gegen Bosnien-Herzegowina nicht immer gegeben. Erst am Montag wird definitiv geklärt, ob Christian Wörns und Hasan Salihamidzic wegen ihrer Platzverweise in der 48. Minute der Partie in den EM-Qualifikationsspielen am Mittwoch pausieren müssen oder ob die Delinquenten ihre Sperre bei einem Freundschaftsspiel absitzen dürfen. Gleich nach dem Abpfiff kursierten mehrere verschiedene Versionen. Auftritt erneut Harald Stenger. Der DFB-Sprecher hatte noch während des Spiels telefonisch Kontakt mit dem europäischen Fußballverband Uefa aufgenommen und die Mitteilung erhalten, dass Rote Karten in Freundschaftsspielen auch Sperren in Freundschaftsspielen nach sich zögen. Eine offizielle Bestätigung soll am Montag per Fax eingehen. „Holland könnte ich verkraften", sagte Wörns. „Aber gegen die Färöer wäre ich schon gerne dabei." Gegen die Färöer geht es um die Qualifikation zu EM, das Spiel gegen Holland im November ist nur ein Test. Wie auch immer: „Da muss ich jetzt mit leben", sagte Wörns.

Der Dortmunder Verteidiger hatte in Sarajevo zum ersten Mal seit acht Monaten wieder ein Länderspiel bestritten, und dessen Verlauf hat nur bestätigt, dass seine Verbindung mit der Nationalmannschaft selten eine für beide Seiten erfreuliche war. In seinen Vereinen überzeugt der 30-Jährige durch starke Leistungen, bei der Nationalelf ist davon meist wenig zu sehen. Manchmal scheint es, als laste ein Fluch auf ihm, sobald er das DFB-Trikot anzieht.

In der vergangenen Saison galt Christian Wörns als bester Verteidiger der Bundesliga, doch als die Nationalmannschaft in Japan Vize-Weltmeister wurde, fehlte der Dortmunder wegen einer Knieverletzung. Vier Jahre zuvor, bei der WM in Frankreich, war es für Wörns ebenfalls nicht besonders gut gelaufen. Im Viertelfinale gegen Kroatien sah er nach einem Foul im Mittelfeld die Rote Karte, die Deutschen verloren 0:3 und schieden aus.

Der Platzverweis am Freitagabend scheint da bestens ins Bild zu passen. Als vermeintlich Hauptschuldiger für alles Übel ist Wörns in der Nationalelf längst so etwas wie der legitime Nachfolger des früheren Bundestrainers Berti Vogts geworden. Selbst wenn er nichts gemacht hat, wird er bestraft. „Einfach nur lächerlich", fand Wörns den doppelten Platzverweis gegen ihn und Hasan Salihamidzic vom FC Bayern München. „Ein Witz", sagte der Bosnier. Gemeinsam gingen sie vom Platz, und dabei haben sie sich nach Auskunft von Salihamidzic „zusammen kaputt gelacht".

Die Reaktion ist verständlich. Wörns berichtete wahrheitsgemäß, dass das geahndete Vergehen „nicht mal ein Gerangel" gewesen war. Der Schiedsrichter aus Italien aber muss „seiner Reaktion nach zu urteilen“ einen gefährlichen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung beobachtet haben. Dabei war das „ein Zweikampf, sonst nichts", sagte Wörns. Rudi Völler hatte es ähnlich gesehen. Als der Schiedsrichter das Spiel unterbrach und Richtung Tatort eilte, wandte sich der Teamchef der Nationalmannschaft an seinen Nachbarn und Assistenten Michael Skibbe: „Der wird den Beiden jetzt doch keine Gelbe Karte geben für diesen Pipifax", sagte Völler. „Hat er dann ja auch nicht getan."

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