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Sport: Italien im Viertelfinale: Schweden: Europameister im Vergeben von Chancen

Catenaccio. Dieses Wort hatte nach den ersten beiden Siegen der italienischen Nationalmannschaft bei der EM die Runde gemacht.

Catenaccio. Dieses Wort hatte nach den ersten beiden Siegen der italienischen Nationalmannschaft bei der EM die Runde gemacht. Der alte italienische Abwehrriegel aus Zeiten, in denen der heutige Nationaltrainer Dino Zoff noch im Tor stand und Verteidiger wie Facchetti und Burgnich konsequent für saubere Verhältnisse im Strafraum sorgten. Was damals gut war, muss heute nicht schlecht sein, sagte sich Zoff und lässt sein Team entsprechend spielen. Doch das, was sich am Montagabend in Eindhoven abspielte, hatte mit Catenaccio nichts mehr zu tun. Waren es jetzt sechs, sieben oder acht klare Tormöglichkeiten, die die Schweden hatten? Egal, sie besaßen die Chance, mindestens mit 3:1 oder 4:1 zu gewinnen. Dann stünden sie jetzt im Viertelfinale - und nicht die Türkei. "Niemals hätte ich gedacht, dass wir so viele Chancen haben würden", meinte Schwedens Trainer Lars Lagerbäck. Aber wer seine Möglichkeiten nicht nutzt, den bestraft der Italiener. 2:1 für Italien prangte am Ende an der Anzeigetafel, und Dino Zoff sagte erleichtert: "Die Schweden hätten mehr verdient gehabt, aber das Glück war mit Italien."

Dino Zoff wirkte entspannt. Zwar hatten die Italiener schon vorher als Teilnehmer am Viertelfinale festgestanden, doch der 58-Jährige war dennoch ein großes Risiko eingegangen. Auf acht Positionen hatte er seine Mannschaft gegenüber dem 2:0 gegen Belgien verändert. Lediglich Schlussmann Toldo sowie Maldini und Iuliani begannen auch gegen die Schweden. "Wenn ich wechsle, dann doch nur, weil ich versuche, die Mannschaft noch stärker zu machen", sagte Zoff. Doch gerade in der Abwehr stimmte es hinten und vorne nicht. Hätten sich die Schweden nicht als Europameister im Vergeben von Chancen gezeigt, stünde nun mit Sicherheit der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung im Raum. Auch wenn die Italiener dies natürlich ganz anders sehen. "Bei uns gibt es nicht Italien I und Italien II, wir sind alle gleichwertig und ein Team", meinte Angelo de Livio. Was zu beweisen war - und von der "squadra azzurra" nicht bewiesen werden konnte.

Zoffs Rotation. Er sieht die Vorteile darin, Stammspieler zu schonen oder vor einer Gelben Karte zu schützen. Wobei Italien in dieser Hinsicht schlechte Erfahrungen gemacht hat. Bei der Europameisterschaft 1996 ließ Trainer Arrigo Sacchi bereits nach dem ersten Sieg (damals war der Viertelfinaleinzug allerdings noch nicht sicher) einige Stars pausieren. Das rächte sich, am Ende verpasste Italien das Weiterkommen. Das spektakulärste Beispiel für eine gelungene Schonkur liegt allerdings schon 46 Jahre zurück. 1954 ließ Bundestrainer Sepp Herberger in der Vorrunde seine Reserve gegen Ungarn antreten. Ungarn gewann mit 8:3, im Finale begegnete man sich wieder, die "richtigen" Deutschen siegten bekanntlich mit 3:2.

Doch Zoff hat sich mit seinem Wechselspiel auch selbst Probleme geschaffen. Hat er zum Beispiel den vorhandenen Spielfluss der ersten Formation ohne Not unterbrochen? Doch viel schwerer wiegt der Fall Alessandro del Piero. Der bestbezahlte Profi der Welt durfte jetzt zum ersten Mal von Beginn an spielen, zeigte teilweise glänzende Aktionen und erzielte den 2:1-Siegtreffer. "Dino, nun finde einen Platz für ihn", fordert die "Gazzetta dello Sport" Zoff ultimativ auf. Bisher war del Piero bei ihm nicht erste Wahl. Der offensive Mittelfeldspieler sagt kühl: "Ich habe jetzt mein bestes Niveau erreicht, der Trainer muss wissen, was er tut."

Sebastian Arlt

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