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Kulisse aus einer anderen Zeit. Zur Trabrennbahn Karlshorst gehört ein sandiger Rundkurs, ein wackliger Zielturm, eine Fressbude aus Holz und eine Tribüne.

© imago/Camera 4

Kampf um Wettbewerbsfähigkeit: Schwerer Schlag für die Trabrennbahn Karlshorst

Die Trabrennbahn Karlshorst verliert mit den lukrativen Mittwochs-Rennen eine weitere Existenzgrundlage. Die Betreiber wollen weitermachen.

An der Großbaustelle Treskowallee, gleich hinter einem Dönerimbiss, steht halb verfallen ein Eingangsportal mit Pferdemosaik. Seine rostigen Eisengatter müssen keine Menschenmassen mehr zurückhalten, hinter ihm verbirgt sich eine karge Parkanlage. Am Ende eines schlammigen Weges, gesäumt von Stallruinen, taucht eine skurrile Kulisse auf: ein sandiger Rundkurs, ein wackliger Zielturm, eine Fressbude aus Holz und eine Betontribüne – die Überreste der Trabrennbahn Karlshorst.

In der maroden Haupthalle Marke Zweckbau gibt es handgeschmierte Stullen und Kaffee aus der Pumpkanne für den kleinen Geldbeutel. Noch kürzlich versammelten sich dort mittwochs zur Mittagszeit Rentner, Pensionisten, Ruheständler, Erwerbslose, Hartz-IV-Empfänger, Grundsicherungsbezieher und vereinzelt Nachtarbeiter mit Kindern zum munteren Bieten von Centbeträgen mit Kreuzen auf Papierscheinen.

Doch das ist nun vorbei. Neueste Entwicklungen stellen den Betreiber der Trabrennbahn endgültig vor die Hamletfrage: Sein oder Nichtsein.

Leute im Pferderennsport reden oft von der Vergangenheit, weil früher alles besser gewesen ist. Anders sieht es in Frankreich aus, wo Pferdewetten immer noch präsenter Bestandteil von Alltagskultur und Arbeitervergnügen sind. Zum Vergleich: Ein deutscher Wetttag erwirtschaftet um die 10.000 Euro Umsatz, in Frankreich sind es gut 400.000 Euro.

Die Publikumzahlen sinken seit Jahren stark

Und so wurden auch die beschriebenen Werktagsrennen in Karlshorst ausschließlich für den französischen Markt abgehalten und dorthin live übertragen. Eine mangelhafte Flutlichtanlage verhinderte den abendlichen Betrieb.

Obwohl sich das Geschäft für den französischen Wettanbieter „PMU“ im Grunde auch mit den unwichtigeren Rennen wie in Karlshorst profitabel gestaltete, gab es Anfang des Jahres einige Umstellungen. In Deutschland sollte es nur noch einen repräsentativen Standort geben. Zusammen mit dem Hauptverband für Traberzucht, der in Mariendorf sitzt, einigte sich „PMU“ darauf, dass Karlshorst aus dem Programm fliegt, ebenso wie Mönchengladbach und Dinslaken.

So ein Ausfall trifft die kleine Bahn im Osten Berlins natürlich hart, wo man sich seit Jahren vergeblich um Wettbewerbsfähigkeit bemüht. Dimitrios Vergos, Geschäftsführer des Pferdesportparks Berlin-Karlshorst, wirkt geknickt, lässt sich die Laune aber nicht verderben. „Wir werden versuchen, die wegfallenden sechs von 16 Renntagen durch attraktivere Wochenendtermine auszugleichen“, sagt er. Klar ist aber, dass die Publikumszahlen seit Jahren stark sinken: „Die Alten sterben uns weg und von den Jungen kommt kaum etwas nach.“ Vergos verweist zudem auf das soziale Gefüge seiner Kundschaft. Wer nichts hat, kann eben nicht wetten.

Nebenan entstand ein Paradies für Hippophile

Keine Aktiven, keine Pferde, kein Geld, kein öffentliches Interesse. Doch nur ein paar hundert Meter weiter entstand kürzlich Beeindruckendes in Karlshorst. Zum vergangenen Dezember nahm das „Inklusive Pferdesport- und Reittherapiezentrum“ bereits seinen vorläufigen Betrieb auf. In der hochmodernen Anlage kümmern sich Menschen mit unterschiedlichen Handicaps auf zehn Hektar Grund um vorwiegend private Reitpferde. Therapeutisches Reiten, Physiotherapie, moderne Stallungen, Ausreiten in die Wuhlheide – ein barrierefreies Paradies für Hippophile. Das Gelände gehörte einst zur Rennbahn, die das Rehazentrum ursprünglich selbst betreiben wollte, sich dann aber mit dem Verkauf der Flächen das Überleben sicherte. Vorerst.

Für Vergos und seine sechs hauptamtlichen Mitarbeiter geht es ums Ganze. „Das kommende Jahr wird entscheidend sein für den Betrieb auf der Rennbahn“, sagt er trocken. Die Karlshorster wollen noch einiges auszuprobieren, doch eigentlich steht fest: Mit Mariendorf können sie nicht mithalten. Dort, wo es gutbürgerlich zugeht und wo alljährlich im August das traditionsreiche Deutsche Traber-Derby stattfindet.

„Wenn es uns nicht zeitnah gelingt, Lösungen zu finden, ist halt irgendwann endgültig Schluss in Karlshorst“, betont Geschäftsführer Vergos. „Und wenn die Zahl der Pferde weiterhin sinkt, muss sich der gesamte Sport überlegen, ob regelmäßige Renntage überhaupt noch möglich sind.“ Dann nimmt er einen Schluck starken Mokka.

Maximilian Schäffer

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