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Sport: Kehraus in Köln

Im Frühjahr machen Kölner ihren Gemütszustand häufig vom Kalender abhängig. Einigen Tagen, meist im Februar, geben sie lustige Namen wie Rosenmontag oder Veilchendienstag, verkleiden sich und sind fröhlich, bis sie am Aschermittwoch bereitwillig der Minus-Laune Platz machen.

Im Frühjahr machen Kölner ihren Gemütszustand häufig vom Kalender abhängig. Einigen Tagen, meist im Februar, geben sie lustige Namen wie Rosenmontag oder Veilchendienstag, verkleiden sich und sind fröhlich, bis sie am Aschermittwoch bereitwillig der Minus-Laune Platz machen. Umgekehrt beim 1. FC Köln: Zuerst fiel Karneval aus, und als es nieselregnete am Trainingsplatz am Morgen des Aschermittwoch, da suchten die drei Dutzend Zuschauer vergeblich nach betrüblich dreinblickenden, aschfahlen Spielern des Tabellenschlusslichts. Stattdessen wurde zwischen den Plastik-Pylonen eifrig geflachst, wie das im Fußball verbreitete Erzählen unfertiger Witze genannt wird. "Was bringt uns Verbissenheit?", fragt Interimstrainer Christoph John. Es klingt, als habe man angefangen, sich mit dem zweiten Abstieg nach 1998 abzufinden.

Vielleicht gründet der Galgenhumor darin, dass die chaotischen Zustände beim Tabellenletzten inzwischen auf die Führung am Geißbockheim übergegriffen haben. Anfang der Woche folgte Sportmanager Hannes Linßen Trainer Ewald Lienen unfreiwillig in den Vorruhestand; sein Vorschlag, sich aus dem Profi-Betrieb in den Amateur-Bereich zurückzuziehen, lehnte Präsident Albert Caspers ab. Seither ist das Geflecht der Klubpersonalien verworren wie ein Wollknäuel: Übergangs-Trainer John steht seit Dienstag Übergangs-Manager Claus Horstmann zur Seite, derweil Caspers nicht recht zu wissen scheint, ob er weitermachen mag oder nicht. "Wenn ich das Problem bin, gehe ich" - mit diesen Worten hatte Caspers nach dem neuerlichen Tiefpunkt in Hamburg eilfertig seinen Rücktritt angeboten, um ihn am Montag ebenso flink zu widerrufen. Geballte Führungskompetenz sieht anders aus.

Wenig tröstlich klingt die Rückendeckung des Verwaltungsratsvorsitzenden Franz Josef Geimer: "Es wäre unangemessen, ihm etwas in die Schuhe zu schieben." Fehlentscheidungen seien "allein im sportlichen Bereich" gefällt worden. Mit dem Duo Lienen/Linßen sind die vermeintlich Schuldigen nun ausgemerzt.

Horstmann, kommissarischer Linßen-Nachfolger, prescht bereitwillig mit lauten Parolen vor. "Es wurde genug geredet, jetzt müssen Entscheidungen gefällt werden", fordert der Betriebswirt, dem ähnliche Kompetenz wie dem selbst erklärten Fußball-Laien Caspers nachgesagt wird. Eine Entscheidung, die jetzt ansteht, ist die zu Horstmanns Nachfolge. Vizepräsident Bernd Steegmann betonte, der Vorstand wolle nicht den gleichen Fehler wie bei der Trainerfrage machen, bei der man "etwas spät reagiert" habe. Nicht nur spät, auch unglücklich: In seiner letzten Amtshandlung hatte Linßen seinen Wunschkandidaten Frank Pagelsdorf in einem Dortmunder Hotel getroffen. Bedauerlicherweise hatte dort auch Pagelsdorfs frühere Mannschaft Hansa Rostock Quartier bezogen, die die geheimen Verhandlungen enttarnten. Pagelsdorf sagte ab.

Bei den Fans steht nach wie vor Christoph Daum hoch im Kurs. In diversen Umfragen favorisierten die Anhänger den derzeit von Besiktas Istanbul und seinem Drogenprozess beschäftigten Trainer hoch. Realistischer erscheint indes eine Verpflichtung Friedhelm Funkels, der schon einige Teams aus dem Tabellenkeller ins Tabellenniemandsland geführt hat und mit dem heute Verhandlungen geführt werden sollen. "In einer solchen Situation ist er natürlich ein guter Name", sagt Steegmann. Er weiß, welchen Attraktivitätsgrad das Kölner Traineramt derzeit besitzt.

Gleiches gilt für Aufgaben in den Führungsgremien. Seit Tagen versuchen besorgte Boulevard-Journalisten durch permanentes Erwähnen der Alt-Internationalen am personalen Flickenteppich mitzuweben. Bisher jedoch haben sich weder Wolfgang Overath noch Ex-Manager Karl-Heinz Thielen gnädig gezeigt. "Wir haben seit Jahren nichts mehr gesagt. Dabei soll es bleiben. Die handelnden Personen müssen die Sache schleunigst in den Griff bekommen", sagt Thielen.

Doch selbst für hektischen Aktionismus scheint es zu spät. Bemerkenswertes könnten die Kölner wohl nur noch dann leisten, wenn sich die Talfahrt fortsetzt. Vier Tore müssen die Kölner noch erzielen, sonst unterbieten sie den Negativrekord von Tasmania Berlin, das sich mit 15 Treffern 1966 als Synonym für Misserfolg etablierte: Bei bisher elf Treffern nach 22 Spielen ein nicht unrealistisches Unterfangen, hätte die Fastenzeit der Kölner Torjäger nicht bereits am 24. November letzten Jahres begonnen. Zellweger erzielte damals das letzte Liga-Tor, beim 2:1 gegen St. Pauli, dem einzigen Sieg in den letzten 17 Spielen. Gelingt gegen Werder Bremen erneut kein Erfolg, bewegen sich die Chancen auf den Klassenerhalt im theoretischen Bereich. "In Mathe hatte ich im Abi eine Fünf. Deshalb darf ich mich an solchen Rechnungen gar nicht beteiligen", sagt John.

Sie flachsen, die Kölner, am Aschermittwoch.

Daniel Pontzen

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