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Sport: Kein größeres Ganzes

Eine zerrüttete französische Mannschaft erreicht nur mit Englands Hilfe das Viertelfinale.

Kiew - Franck Ribéry trat als einer der Ersten die Flucht an, gefolgt von Karim Benzema. Alle holten sie sich ihren Handschlag von Laurent Blanc ab, aber keiner schaute dem Trainer in die Augen, wie ohnehin kein Franzose etwas mit einem anderen Franzosen zu tun haben wollte. Die „Grande Nation“ inszenierte ihren Abgang, wie sie vorher gespielt hatte. Elf Kleinkünstler waren nebeneinander hergelaufen, jeder einzelne gesegnet mit großartigem Talent und doch unfähig, im Ensemble ein größeres Ganzes zu schaffen. „Das war ein ziemlich mittelmäßiges Frankreich“, sprach Laurent Blanc nach dem 0:2 gegen Schweden.

Das war wohlwollend formuliert und doch ernüchternd genug. Für die schon vor dem finalen Duell in der Gruppe D ausgeschiedenen Schweden ging es um nichts mehr. „Aber sie haben mit Herz und Leidenschaft und für die Ehre gespielt“, sagte Blanc, und weil er das gleich mehrfach erzählte, lag der Umkehrschluss nahe, dass die Franzosen mit Herz und Leidenschaft und Ehre nicht viel am Hut hatten, jedenfalls nicht in diesem Spiel.

Dafür wird ihnen nun die Ehre zuteil, im Viertelfinale der Europameisterschaft mit Herz und Leidenschaft den Welt- und Europameister Spanien zu fordern. Das war, natürlich, nicht der Wunschgegner. „Wir wollten dieses Spiel gewinnen und als Gruppenerster in Kiew gegen Italien spielen“, sagte Blanc. Immerhin dürfen sie jetzt in Donezk bleiben, wo sie vor zwei Wochen ihr Quartier bezogen haben, während die in Polen residierenden Spanier in die Ukraine reisen müssen.

Die Qualifikation fürs Viertelfinale war eine Qualifikation von englischen Gnaden. Hätte der alte Erbfeind zur selben Stunde nicht 1:0 gegen die Ukraine gewonnen, sondern mit dem- selben Ergebnis verloren – was dem Spielverlauf nach so unrealistisch nicht war – dann wäre das Turnier für die Franzosen jetzt beendet.

Der Stürmer Olivier Giroud erzählte in den Kiewer Katakomben, der Trainer sei „sehr laut und sehr wütend in der Kabine“ gewesen. Laurent Blanc mochte das nicht dementieren, denn „nach Niederlagen bist du selten gut gelaunt“. Blanc, Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1998, hatte gedacht, seine Mannschaft sei weiter, nach zuletzt 23 Spielen in Folge ohne Niederlage. „Aber irgendwann musste diese Serie ja mal zu Ende gehen“, und besser in einem letztlich bedeutungslosen Vorrundenspiel als am kommenden Samstag im Viertelfinale von Donezk.

Hugo Lloris, der großartige Torwart aus Lyon, mühte sich, das Spiel gegen die Spanier als spannende Herausforderung zu interpretieren. „Das kann ein tolles Spiel werden“, sagte Lloris. Und: „Wir haben schon öfter gezeigt, dass wir eine gute Mannschaft sind. Auch wenn man heute nichts davon gesehen hat.“Sven Goldmann

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