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Sport: Kein McDonald’s, kein Motorrad Wie der Schwimmer Stev Theloke seine Krise überwand

Von Frank Bachner Berlin. Auf dem Tisch stand ein Glas Mineralwasser, aber der Stuhl davor war leer.

Von Frank Bachner

Berlin. Auf dem Tisch stand ein Glas Mineralwasser, aber der Stuhl davor war leer. Stev Theloke hatte keine Zeit zu trinken. Er musste reden, über sein Rennen, über seinen Sieg über 100 m Rücken bei der Schwimm-Europameisterschaft, über seinen Europarekord (54,42 Sekunden). Theloke stand auf einer kleinen Bühne im Deutschen Haus, einer Begegnungsstätte von Sportlern, Funktionären und Journalisten, es war Dienstagabend, aber wichtig war nicht nur, was Theloke erzählte. Wichtig war auch das Mineralwasser. Es ist nämlich so etwas wie ein Symbol. Der Rückenschwimmer Theloke hat wieder akzeptiert, dass er ein Hochleistungssportler ist. Und dass er danach leben muss. „Man muss sich professionell verhalten, nur so kann man Erfolg haben“, hatte der 24-Jährige nach seinem Sieg verkündet. Er hatte es mit viel Pathos erzählt, und im Grunde hatte er zu sich selber gesprochen.

Denn Stev Theloke hat „mal völlig an der Decke geschwebt. Ich hatte gedacht, ich bin der Chef, es läuft alles problemlos". Das war im Frühjahr 2001, und da war der Chemnitzer Theloke ein Genussmensch, der ab und zu noch im Becken ein paar Bahnen zog. Bei McDonald’s schob er sich Hamburger rein, in der Kneipe, abends mit Freunden, versorgte er sich mit Bier. Theloke glaubte, dass er sich das erlauben konnte. Er hatte schließlich bei den Olympischen Spielen 2000 Bronze über 100 m Rücken gewonnen, und weil er einer der wenigen deutschen Schwimmer war, die bei den Spielen von Sydney nicht bloß an Land geschwemmt wurden, galt seine Medaille als etwas ganz Besonderes.

Ein Jahr später war die WM in Fukuoka, und der Rückenschwimmer Theloke hatte Übergewicht. Das verinnerlichte er erst, als er Neunter wurde und sich sein Rennen später im Fernsehen nochmal betrachtete. Da sah er einen Mann, der mit dem Bild, das er sich von diesem Athleten machte, nicht mehr übereinstimmte. „Ich hatte gedacht, ich bin ein schlanker Athlet, aber da habe ich gesehen, das ich Fettröllchen am Bauch hatte.“ Da klingelte es bei Theloke. Irgend etwas, das war ihm jetzt klar, war schief gelaufen. „Letztlich hat mir diese Schlappe gut getan. Sie hat mich auf den Boden zurückgeholt."

Theloke strich McDonald’s, strich das Bier, größtenteils jedenfalls, vor allem aber strich er das Motorradfahren. Das war am schlimmsten. Theloke ist leidenschaftlicher Motorradfahrer, er besaß eine Kawasaki ZX9R, eine Rennmaschine mit 146 PS, und er liebte die Ausfahrten mit Freunden. Aber er sah auch die Bilder von Hermann Maier. Maier im Krankenhaus, Maier an Krücken, Maier in der Rehabilitation. Der Weltklasse-Skifahrer war mit dem Motorrad verunglückt. „Wenn etwas mit dem Motorrad passiert, dauert es ewig, bis man wieder seine alte Leistungen bringen kann“, sagt Theloke. Die Freundin bearbeitete ihn, die Eltern, die Trainerin, alle wollten, dass er seine Maschine verkauft. Vor drei Monaten gab Theloke den Widerstand auf. Er hatte selber zu viele Zweifel. Aber es war nicht bloß ein Verkauf. Er war ein Einschnitt. Theloke verabschiedete sich von seinem alten Denken. „Ich hatte schon ein Tränchen in den Augen“, sagt er. Sein Gold bei der EM dürfte ihn einigermaßen entschädigen.

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