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Christine Theiss

© dpa

Kickboxen: Medizin nach Schlägen

Die Akademikerin Christine Theiss verteidigt ihren WM-Titel im Kickboxen - und wird immer mehr zum Gesicht ihres Sports.

Den Tunnelblick beim Einlauf in den Ring hat sich Christine Theiss schon länger abgewöhnt. „Es bringt nichts, schon in der Kabine auf den Punkt konzentriert zu sein“, sagt die 28 Jahre alte Kickboxerin. Zwischen der Kabine und dem Beginn eines WM-Kampfes liegen schließlich noch einige Rituale: der Gang zum Ring, die Begrüßung des Publikums an allen vier Seiten des Rings, das Abspielen der Nationalhymnen der beiden Kontrahenten. Maria Konstantelou, Theiss' griechische Herausforderin im Kampf um den WM-Gürtel des Verbandes WKA, zeigte am Samstagabend die im Kampfsport üblichen Posen: geradliniger Gang, grimmiger Blick ins Leere, ein paar angedeutete Schläge in die Luft. Nicht so Theiss. Leichtfüßig hüpfend betrat die Münchnerin die Stuttgarter Carl-Benz-Arena, lächelte ins Publikum, hob zum Gruß nur ihre rechte Hand. Ohne die martialische Einlaufmusik hätte man Theiss für eine Trampolinturnerin halten können.

Theiss hat sich diese äußerliche Gelassenheit hart erarbeitet. Sie ist eine von weltweit etwa zehn Kickboxerinnen, die von ihrem Sport leben können. Seit letztem Jahr trägt sie die WM-Gürtel der Verbände Wako und WKA. Ihr abgeschlossenes Medizinstudium und das modelhafte Aussehen machen sie zu einer Ausnahmeerscheinung im von Männern dominierten Kickboxen, mit dem man eher Schlägertypen aus dem Milieu verbindet. Theiss ist eine Art Regina Halmich des Kickboxens: Wie die jüngst abgetretene Boxerin verschafft sie mit Fernsehauftritten und gelegentlich auch mit Nacktfotos ihrem Sport ein breiteres Publikum.

Auch am Samstagabend kam ein Großteil der Zuschauer wegen Theiss, obwohl insgesamt vier WM-Kämpfe ausgetragen wurden. Nach zehn Runden à zwei Minuten hatte Theiss ihren Titel in der Gewichtsklasse bis 60 Kilo nach einstimmigem Votum der drei Punktrichter verteidigt (99:96; 99:94; 100:93). Somit hat Theiss jeden ihrer bisher acht Profi- Kämpfe gewonnen, vier davon per K.o.

So leicht machte es ihr die energische Konstantelou Theiss diesmal nicht. „Sobald ich gepennt habe, hat sie mir eine runtergehauen“, resümierte Theiss. Die Griechin punktete anfangs mit einigen harten Tritten, Theiss’ Angriffe gingen meist ins Leere oder blieben wirkungslos. Doch gegen Ende der vierten Runde hatte sich die Doppelweltmeisterin auf ihre stets gefährliche Gegnerin eingestellt und landete zunehmend wichtige Treffer. In der siebten Runde platzierte Theiss kurz hintereinander drei Tritte an die linke Hüfte, die rechte Hüfte und den Kopf ihrer Gegnerin. Konstantelou traf jetzt meist nur noch Theiss’ Deckung, blieb aber weiterhin gefährlich. „Das ist nicht Schattenboxen“, wurde Theiss von ihrem Trainer Pavlica Steko angefeuert. In der neunten Runde brachte Theiss noch einmal die Kraft für eine ganze Salve an Schlägen auf, bevor sie kurz darauf zur alten und neuen Weltmeisterin erklärt wurde.

So oder so thronte das neue Aushängeschild des Kickboxens über allen anderen WM-Kämpfen des Abends: Von der Decke der Arena hing Theiss drei Mal als überlebensgroßes Poster hinab.

Matthias Sander

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