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Sport: „Klar bist du Deutscher“

Die Eishockey-Nationalspieler Olaf Kölzig und Stefan Ustorf über ihr Leben in vielen Ländern und die Weltmeisterschaft in Tschechien

Stefan Ustorf und Olaf Kölzig sind die prominentesten Spieler der deutschen EishockeyNationalmannschaft, die heute ihr erstes Spiel bei der Weltmeisterschaft in Prag gegen Kasachstan bestreitet (20.15 Uhr, live im DSF). Beide kennen sich seit 1992, als sie gemeinsam bei den Washington Capitals spielten. Torhüter Kölzig spielt dort immer noch in der National Hockey League (NHL). In der Saison 1999/2000 wurde er mit der Vezina Trophy für den besten Torhüter der besten Liga der Welt ausgezeichnet. Stürmer Ustorf lief zwischen 1995 und 1997 in 54 NHL-Spielen auf. Nach einem Abstecher zu den Berlin Capitals (1997/98) und Engagements bei unterklassigen Klubs in Nordamerika kehrte Ustorf vor drei Jahren nach Deutschland zurück. Nach Stationen in Mannheim und Krefeld wechselt er zur kommenden Saison zu den Berliner Eisbären.

Herr Ustorf, Herr Kölzig, wer ist der aktuelle Eishockey-Weltmeister?

Kölzig: Kanada!

Ustorf: Kompliment Olaf, das hätte ich jetzt nicht so schnell gewusst. Jedes Jahr eine Weltmeisterschaft, da verliert man leicht den Überblick.

Sie beide waren selten dabei. Sie, Herr Ustorf, haben das letzte Mal 2002 bei einer WM gespielt, und Sie, Herr Kölzig, sind so etwas wie ein Phantom. Es wird immer über Sie geredet, aber Sie sind nie da. Jetzt stehen Sie gemeinsam im deutschen Aufgebot für die WM in Tschechien.

Ustorf: Ich war sechs Jahre lang in Amerika und habe immer Play-offs gespielt, da hatte ich keine Wahl. Ich konnte den Vereinen ja nicht sagen: Sorry, ich fahre jetzt mal nach Europa zur WM.

Kölzig: Ich war 1997 bei der WM in Finnland dabei, dann bei Olympia in Nagano. Danach war ich entweder verletzt, oder wir haben mit den Capitals in den Play-offs gespielt. Außerdem hatten wir in der Familie so unsere Sorgen. Sie wissen vielleicht, dass bei meinem Sohn vor drei Jahren Autismus diagnostiziert wurde. Die Familie brauchte mich, sodass Eishockey im Frühling damals so ziemlich das Letzte war, was mich interessierte.

Ihr Engagement in diesem Jahr verdanken wir einem Misserfolgserlebnis: Sie haben sich mit den Washington Capitals nicht für die Play-offs qualifiziert.

Kölzig: Wir hatten ein furchtbares Jahr, es war früh klar, dass wir es nicht in die Play-offs schaffen. Schon im Februar haben mich die Deutschen für die WM in Prag eingeladen. Ich glaube, das war die früheste WM-Einladung, die je ein Spieler erhalten hat. Und dass ich überhaupt für Deutschland spiele, liegt ganz allein an Stefan.

Warum das?

Kölzig: Wir kennen uns schon seit 1992. Er kam damals zu uns ins Trainingscamp nach Washington, und ich habe ihm erzählt, dass ich Deutscher bin. Das wusste damals noch keiner, jedenfalls nicht in Deutschland.

Ustorf: Na klar bist du Deutscher, habe ich gesagt – und ihm das natürlich nicht geglaubt. Ein deutscher Torhüter in der NHL, das hätte ich doch wissen müssen, außerdem hat Olaf nur Englisch gesprochen. Aber dann hat er mir seinen Pass gezeigt, und ich dachte: Hoppla, der wäre ja eine Riesenverstärkung für die Nationalmannschaft. Also habe ich beim Deutschen Eishockey-Bund angerufen. So wurde Olaf deutscher Nationalspieler.

Kölzig: Eigentlich wollte ich ja für Kanada spielen. 1990 habe ich mich mit der kanadischen Junioren-Nationalmannschaft auf die WM in Finnland vorbereitet. Kurz vor der Abreise mussten wir die Visa-Anträge ausfüllen. Da waren auf meinem Pass viel mehr Ziffern, als auf dem Antrag Platz war. Ich habe das den Leuten vom Verband gezeigt, die haben das überprüft und mir dann gesagt: Sorry, Junge, aber du bist kein Kanadier, du kannst nur für Deutschland spielen.

Ustorf: Ein Glück für uns. Der Olaf ist ja nicht irgendeiner, sondern einer der besten Torhüter, die es gibt. Der hat ja nicht umsonst vor vier Jahren den Preis für den besten Torhüter der NHL bekommen.

Sie haben noch eine dritte Heimat, Herr Kölzig: Sie wurden in Johannesburg geboren.

Kölzig: Ja, mein Vater war Hotelmanager. Er ist mit meiner Mutter in der ganzen Welt herumgereist. Ich bin in Südafrika geboren, danach waren wir bei der Familie meines Vaters, in der Nähe von Augsburg. Dann ging es weiter nach Dänemark, schließlich sind wir in Kanada gelandet. Da war ich vier Jahre alt, und bis zu meinem achten Lebensjahr haben wir zu Hause nur Deutsch gesprochen. Englisch musste ich völlig neu lernen.

Ustorf: Auch ich bin mehr oder weniger in Amerika erwachsen geworden. Vorher, in Kaufbeuren, habe ich ja immer bei meinen Eltern gewohnt. Dann kam der Wechsel nach Washington, und ich habe zum ersten Mal auf eigenen Füßen gestanden. Da habe ich dann auch meine Frau kennen gelernt. Ich habe eine Green Card und könnte ohne Probleme die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommen, aber ich fühle mich schon mehr als Deutscher. Unsere zwei Kinder haben beide Staatsbürgerschaften.

Herr Kölzig, hat man Sie in Washington ausgelacht, als Sie erzählt haben, dass sie für Deutschland spielen wollen?

Kölzig: Nein, warum? 1997, als ich das erste Mal zu einer WM gefahren bin, da haben sie schon komisch geguckt, aber seitdem hat sich das deutsche Eishockey einen Namen gemacht. Die Nationalmannschaft ist eine ganz andere als noch vor ein paar Jahren, vor einem Jahr hätten die Deutschen bei der WM fast Kanada ausgeschaltet. In Nordamerika wissen sie inzwischen alle, wer Hans Zach ist…

… der strenge Bundestrainer…

Kölzig : …und dass er hervorragende Arbeit leistet. Ich will den Mund nicht zu voll nehmen, aber wir können bei dieser WM einiges erreichen. Vor ein paar Tagen habe ich einer Journalistin gesagt, dass wir auch die Tschechen in ihrer eigenen Halle schlagen wollen. Da hat die Frau laut gelacht. Warum? Natürlich treten wir in Prag an, um jedes Spiel zu gewinnen. Sonst hast du verloren, bevor du die Schlittschuhe angezogen hast.

Ustorf: Ja, aber genauso gut können wir im ersten Spiel gegen Kasachstan 60 Mal aufs Tor schießen und 0:1 verlieren. Das glaube ich zwar nicht, aber im Eishockey sind schon ganz andere Sachen passiert. Deswegen will ich mich nicht festlegen und denke von Spiel zu Spiel.

Legen Sie sich doch mal fest, Herr Kölzig. Im nächsten Jahr wird es in der NHL zu einem Arbeitskampf kommen. Vielleicht fällt die ganze Saison aus. Wo spielen Sie dann?

Kölzig: Zu Hause mit meinen Kindern. Noch vor ein paar Monaten hätte ich mich durchaus mit einem Engagement in Deutschland anfreunden können. Das habe ich jetzt verschoben, am Ende meiner Karriere will ich zwei, drei Jahre in Deutschland spielen. Aber jetzt geht es nicht. Wir haben gerade unser drittes Kind bekommen. Meine Familie braucht mich, vor allem mein autistischer Sohn.

Können Sie sich unbeschwert einen Film wie Rain Man anschauen, eine Parabel, in der Dustin Hoffman einen Autisten spielt?

Kölzig: Natürlich, solche Filme helfen mir dabei, die Welt meines Sohnes zu verstehen. Außerdem ist der Autismus meines Sohnes längst nicht so stark ausgeprägt wie der des Mannes, den Dustin Hoffman spielt. Mein Sohn hat große Fortschritte gemacht seit der Diagnose vor drei Jahren.

Vor zwei Jahren hatten Sie auch noch ganz andere Sorgen: Damals machte der Golfkriegsveteran John Muhammad, der berüchtigte Sniper, Ihre Gegend unsicher. Der Mann erschoss 13 Menschen rund um Washington.

Kölzig: Das war furchtbar. Alle Anschläge wurden in der Nähe von Tankstellen und Autobahnen verübt. Wir haben uns zum Tanken nur noch an ganz entlegene Plätze getraut, weit weg von den großen Straßen. Der ganze Staat Maryland hat aufgeatmet, als der Mann endlich gefasst war.

Auch Ihr Privatleben ist nicht frei von Sorgen, Herr Ustorf.

Ustorf: Ja, meine Frau hat eine Krebstherapie hinter sich, aber es geht ihr wieder sehr gut. Und sie ist ein sehr optimistischer Mensch. Seit drei Jahren ist sie ohne Beschwerden, gemeinhin heißt es, dass du es als Krebskranker nach fünf Jahren geschafft hast. Aber Sie können sich vorstellen, was in mir vorgeht, wenn sie mal sagt, dass sie Kopfschmerzen hat. Aber man gewöhnt sich dran. Ich kann nur hoffen, dass wir nie wieder damit konfrontiert werden.

Am Mittwoch spielen Sie in Prag gegen den großen WM-Favoriten Tschechien – und gegen ihren ehemaligen Teamkollegen Jaromir Jagr, einen der besten Eishockey-Spieler der Welt, der im Streit von den Washington Capitals zu den New York Rangers ging.

Kölzig: Jaromir ist ein überragender Spieler, aber er alleine kann ein Team auch nicht zum Stanley Cup schießen. In Washington hat er elf Millionen Dollar im Jahr verdient. Als klar war, dass wir die Play-offs nicht erreichen, da konnte sich der Verein ihn nicht mehr leisten.

Jagr besitzt eine Bar in der Prager Innenstadt, direkt am Wenzelsplatz.

Kölzig: Wirklich? Da werde ich ihn mal besuchen müssen.

Ustorf: Olaf! Lass das bloß nicht den Bundestrainer hören.

Das Gespräch führten Sven Goldmann

und Claus Vetter.

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