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Sport: Kleiner Bahnhof

Wie Luxemburg einen historischen Sieg begeht

Fünf Minuten Nachspielzeit zeigte der vierte Unparteiische am Samstag beim EM-Qualifikationsspiel in Gomel zwischen Weißrussland und Luxemburg an. Die ganze Fußball-Anhängerschaft aus dem kleinen Großherzogtum stöhnte auf. Fünf lange Minuten noch und Luxemburg würde erstmals seit zwölf Jahren in einem Auswärtsspiel nicht als Verlierer vom Platz gehen. Ein letzter Befreiungsschlag in der 95. Minute, nur raus aus dem eigenen Strafraum. Stürmer Daniel Da Mota, ein gebürtiger Portugiese, gelangt noch mal bis an die gegnerische Torauslinie, flankt von dort auf Fons Leweck. Dessen Kopfball rutscht dem weißrussischen Torwart über die Hände hinweg ins Netz. Das Tor des Tages: 1:0 für Luxemburg.

Es folgten Szenen wie in einem Tollhaus: ein Präsident des Luxemburger Fußballverbandes, der spontan über die Tribüne lief und die anwesenden Journalisten umarmte, Spieler, Trainer und Betreuer, die auf dem Rasen ein buntes Menschenknäuel bildeten und sich nicht mehr voneinander lösen wollten. 30 Sekunden später pfiff der Schiedsrichter die Partie ab.

Der Augenblick war historisch. Nach zwölf Jahren war es einer Luxemburger Fußball-Nationalmannschaft wieder gelungen, einen Pflichtspielsieg zu erkämpfen, noch dazu in der Fremde. Zuletzt war dies im Februar 1995 auf Malta der Fall, als Luxemburg durch ein Tor von Manuel Cardoni, der die Begegnung am Samstag als Kokommentator beim Fernsehen verfolgte, ebenfalls 1:0 gewann. Doch die große Sause blieb nach Spielende aus. Darauf achtete Nationaltrainer Guy Hellers, ein langjähriger Profi von Standard Lüttich. Er hatte im Jahr 2000 mit der Einführung einer nationalen Fußballschule für Jugendliche in Luxemburg den Grundstein zu diesem Erfolg gelegt. Am Mittwoch steht bereits das nächste EM-Qualifikationsspiel an: Luxemburg empfängt im „Stade Josy Barthel“ den Weltranglisten-Zwölften Rumänien. „Glückwunsch an die Spieler“, kommentierte Heller den Sieg knapp. Er verwies darauf, dass dieser Erfolg mit zehn Amateurspielern erreicht wurde. Nur Mario Mutsch steht beim Schweizer Erstligisten FC Aarau unter Vertrag. Verletzt hatte der zweite Luxemburger Berufsfußballer, Jeff Strasser (FC Metz), passen müssen.

Erstmals seit Menschengedenken hatte kein einziger Anhänger die Reise nach Weißrussland angetreten. Die Reisestrapazen nach Gomel – nahe der ukrainischen Grenze – und die mäßigen Erfolgsaussichten hatten auch die Treuesten von dem Trip abgehalten. Als die Luxemburger Nationalspieler kurz vor Mitternacht daheim am Flughafen landeten, empfingen sie nur knapp 20 Fans. Einige Fotos wurden geschossen, vom nationalen Fernsehen war ein Kamerateam präsent – das war’s. Alles ganz im Sinne von Nationaltrainer Hellers: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“ („Luxemburger Wort“)

Laurent Schüssler[Luxemburg]

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