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Sport: Kleiner Fleck auf dem Vorhang

Von Felix Meininghaus Rotterdam. Dede heulte.

Von Felix Meininghaus

Rotterdam. Dede heulte. Dede heulte wie ein Schlosshund. Er hatte den Kopf in die Hände von Matthias Sammer vergraben, er drückte sich gegen die Schulter seines Trainers, und der streichelte ihm über den Hinterkopf. Der gestandene Profi Dede wirkte wie ein Kind, das Trost vom Vater braucht. Matthias Sammer, der Dortmunder Trainer, ist für seine Spieler inzwischen so etwas wie ein kleiner Vater, zumindest aber eine Respektsperson. Und Respektspersonen weinen nicht.

Wenn es überhaupt Szenen gibt, in denen Matthias Sammer die Tränen kommen könnten, dann wäre das hier so eine gewesen. Inmitten von heulenden Dortmunder Spielern und jubelnden Rotterdamer Profis, umgeben von 46 000 Fußball-Fans im Rotterdamer Stadion De Kuip. Wenn auch er hätte weinen dürfen, dann hier – Sekunden nach dem Abpfiff des Uefa-Pokal-Finales. Sekunden nach der 2:3 (0:2)-Niederlage, vier Tage nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft.

Natürlich weinte Sammer nicht. Auch Jürgen Kohler weinte diesmal nicht. Zumindest nicht öffentlich. Vielleicht hatte er in der Kabine geweint, als er ganz allein war, nachdem er Rot gesehen hatte und wohl ahnte, dass dies seiner Mannschaft den Sieg kosten würde. Rot nach 31 Minuten.

Kohler hatte seinen letzten Auftritt, seinen wirklich letzten Auftritt. Er hatte nochmal den harten Verteidiger gegeben, aber er ist 36. Er musste einen ungenauen Pass am eigenen Strafraum aufnehmen. Doch er vertändelte und kam mit dem ausgestreckten Bein nicht mehr schnell genug an den Ball. Jon Dahl Tomasson fiel über Kohlers Beine. Elfmeter, 1:0., Torschütze Pierre van Hooijdonk. Der traf ein paar Minuten später mit einem wundervollen Freistoß noch einmal.

Doch Dortmund gab sich nicht auf, Dortmund kämpfte. Tomas Rosicky, der Regisseur grätschte, Marcio Amoroso, der empfindliche Torjäger, grätschte, Jan Koller, der 2,02-m-Stürmer, grätschte. Zehn Mann, eine Einheit. Diese Einheit setzte Rotterdam unter Druck. Amoroso verwandelte einen Strafstoß, Koller brillierte mit einem Kunstschuss. Er nahm den Ball mit der Brust an, ließ ihn abtropfen, und schoss dann volley ins linke obere Eck. Zwei Tore wie zwei Ausrufezeichen. Aber es reichte nicht. Es reichte nicht, weil Rotterdam nicht in die Knie ging. Und weil Tomasson, der gegen Kohler den Elfmeter herausgeholt hatte, auch noch einmal selbst getroffen hatte. Und den Dortmundern fehlte dann einfach die Kraft.

Matthias Sammer sagte: „Es ist bemerkenswert, dass wir unseren Gegner unter diesen Voraussetzungen an den Rand der Verlängerung gebracht haben. Bei elf gegen elf hätten wir das Feld hier nicht als Verlierer verlassen." Wobei es an der Berechtigung des Feldverweises keinen Zweifel gab. „Ich wusste sofort, was los war“, sagte Kohler. „Die Rote Karte war scheiße, ich hätte mir einen anderen Abgang gewünscht. Aber man kann es sich nicht aussuchen.“Der Verteidiger empfand seinen fatalen Fehler als „kleinen schwarzen Fleck auf meiner weißen Weste". Es war wohl eher ein Fleck auf dem letzten Vorhang, der an diesem Abend für Kohler fiel.

Gegen holländische Teams erlebte der 105-malige Nationalspieler die Tiefpunkte seiner Karriere: 1988, im EM-Halbfinale von Hamburg, als er gegen Marco van Basten zu spät kam, und nun, 14 Jahre später, in Rotterdam bei seinem letzten Auftritt.

Aber es war nicht allein Kohlers Fehler. Lars Ricken hatte ihn durch einen unnötigen Rückpass in Bedrängnis gebracht. „Ich hätte den Ball ja wegschlagen können, aber dann habe ich einen Moment überlegt, und dann war ich schon im Zweikampf“, sagte Kohler. Gut. er hatte gepatzt, aber Ricken auch. Der offensive Mittelfeldspieler erwischte zwei Tage nach seiner WM-Ausmusterung durch Teamchef Rudi Völler einen ganz schwachen Tag. Es war übrigens auch Rickens Fehler, der das verhängnisvolle 3:1 für Rotterdam einleitete.

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