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Keine Alleingänge. Jürgen Klinsmann setzt auf regen Austausch im Trainerteam. Alexander Nouri (links) soll die Einheiten leiten und die Mannschaft taktisch einstellen – nun zunächst auf Borussia Dortmund an diesem Samstag.

© imago images/Nordphoto

Klinsmanns Co-Trainer bei Hertha BSC: Alexander Nouri ist der Chef aus der zweiten Reihe

Alexander Nouri soll bei Hertha BSC für Jürgen Klinsmann so zuarbeiten wie einst Joachim Löw. Am Samstag geht es gegen Borussia Dortmund.

Als die Mannschaft von Hertha BSC am Mittwochnachmittag im prasselnden Regen erstmals mit Jürgen Klinsmann und dessen Trainerteam arbeitet, ist es die Stimme von Alexander Nouri, die am lautesten über den Platz schallt. Der 40-Jährige zieht zwei blaue Slalomstangen ruckartig aus dem Rasen, geht ein paar Schritte weiter und stößt sie mit Wucht zurück in das Spielfeld. Danach joggt er weiter zur nächsten Gruppe von Spielern. Wenn Nouri Anweisungen erteilt, spricht er mit dem ganzen Körper. Er gestikuliert, redet bewusst laut, er will keine Missverständnisse zulassen.

Nouri passt als Trainer gut zu Klinsmanns Rollenvorstellung eines Assistenten. Der Cheftrainer selbst möchte lieber beobachten, primär sollen die Co-Trainer im Training die Anweisungen durchgeben und sofort mit dem gesamten Trainerteam kommunizieren, wenn ihnen Dinge auffallen. Klinsmann möchte Co-Trainer, die sich einmischen, die Initiative zeigen und Ideen mitbringen.

Das gilt auch für Torwarttrainer Andreas Köpke, der laut Klinsmann problemlos Cheftrainer eines Bundesligaklubs sein könnte. „Es ist ein gemeinsames Arbeiten, das ist mir sehr wichtig. Ich gehe nicht zu Werke und sage, ich sehe alles in perfekter Art und Weise, in keinstem Fall“, sagt Klinsmann. Dass Nouri, ehemaliger Cheftrainer von Werder Bremen und dem FC Ingolstadt, nun auf dem Trainingsgelände von Hertha BSC umhereilt, hat vor allem mit einem Aufenthalt in den USA zu tun.

Klinsmann und Nouri lernten sich in den USA kennen

Bereits 1999 spielte Nouri für drei Monate auf Leihbasis bei den Seattle Sounders in der Major League Soccer (MLS), zuletzt hospitierte er als Trainer in Seattle sowie beim Los Angeles FC und Los Angeles Galaxy. In der Zeit lernten sich Klinsmann und Nouri kennen. „Für ein deutschsprachiges Projekt war Alex immer ganz oben auf der Liste“, sagt Klinsmann. Ein paar Telefonate hätten gereicht, um Nouri und dessen langjährigen Co-Trainer Markus Feldhoff vom Engagement bei Hertha zu überzeugen. „Was mich an ihm begeistert, ist seine Energie, seine Art und Weise der Kommunikation, seine Tuchfühlung, sich auch in die Spieler reinzudenken“, sagt Klinsmann.

Nouri gilt als akribisch arbeitender, emotionaler Trainer, der auch Einflüsse aus der Welt außerhalb des Fußballs in seine Arbeit integriert. 2017 antwortete Nouri angesprochen auf einen möglichen Einzug in den Europapokal mit Werder Bremen: „Ich habe nichts gegen das Wort Europa. Ich bin ja nicht die AfD.“

In Bremen führte er erst Werders zweite Mannschaft aus der Regionalliga in die Dritte Liga. Nach der Entlassung von Viktor Skripnik übernahm er dann die Profimannschaft und verpasste mit ihr im ersten Anlauf die Qualifikation zur Europa League nur knapp, bis ihm eine Serie von zehn Spielen ohne Sieg zu Beginn der Saison 2017/18 den Job kostete. Zuvor stand Nouri für seine defensiv ausgerichtete Taktik öfter in der Kritik. Werder hätte sich unter ihm oft zu sehr darauf fokussiert, nicht zu verlieren, als zu gewinnen, sagte der heutige Dortmunder Thomas Delaney nach einem 0:0 gegen Freiburg bei Sky.

In Ingolstadt blieb Nouri 2018 gänzlich glücklos, von seinen ersten acht Spielen gewann er keines, nach nur zwei Monaten entließ der Klub ihn wieder.

Auch Nouri hat einen Assistenten: Markus Feldhoff

Nun also Hertha. Hier soll Nouri gemeinsam mit Markus Feldhoff auch taktisch viel zuarbeiten, so wie es Joachim Löw von 2004 bis 2006 einst unter Klinsmann tat. Das Zusammenspiel im Trainerteam habe sich dabei schnell „richtig dynamisch entwickelt“, sagte Klinsmann vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund am Samstag (15.30 Uhr/Sky). Auch am Spieltag selbst setzt Klinsmann auf einen Arbeitsfluss im Trainerteam. In der Halbzeit solle sich das Betreuerteam kurz beraten und dann entscheiden, welcher Trainer welche Inhalte vor der Mannschaft kommuniziere. „So habe ich es immer gemacht“, sagt Klinsmann.

Mit dem BVB erwarte Hertha eine „Mega-Aufgabe“, sagt Klinsmann. Ihm ist daran gelegen, dass die Berliner nach den wenigen Trainingseinheiten unter seiner Führung vor allem auf sich schauen: „Für uns ist wichtig, dass wir über Laufbereitschaft, Leidenschaft und Aggressivität reinfinden ins Spiel und das Publikum mitnehmen. Es liegt an uns, was in dem Spiel passiert“, sagt Klinsmann. Taktisch will der neue Hertha-Trainer die Mannschaft nicht überfordern, die Köpfe der Spieler seien voll: „Wir können nur bis zu einer gewissen Grenze Informationen zuspielen, das ist einfach nicht der Moment dafür.“

Klinsmann bestätigte, dass Thomas Kraft den für zwei Spiele gesperrten Rune Jarstein im Tor ersetzen wird. Der „Kicker“ berichtet zudem, dass die Mittelfeldspieler Ondrej Duda und Eduard Löwen gegen Dortmund nicht zum Kader gehören werden.

Die ersten 48 Stunden bei Hertha BSC beschrieb Klinsmann als intensiv, er habe nur wenig Schlaf gehabt und viele Gespräche geführt. Generell sei die Zeit zu knapp gewesen, um tiefgreifende Änderungen vorzunehmen: „Das Wichtigste hat die Mannschaft aber begriffen: Wir brauchen Punkte, egal wie.“ Dafür brauche es „Durchschlagskraft, Aggressivität, Power, Energie, Härte“. Also all die Eigenschaften, die Alexander Nouri allein durch sein Auftreten im Training der Mannschaft vermittelt haben dürfte.

Louis Richter

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