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Ausnahmsweise einmal mit sich beschäftigt. David Haye hat vor dem Kampf keine Gelegenheit ausgelassen, um die Klitschkos zu beleidigen.

© dapd

Klitschko gegen Haye: Eine schwere Provokation

Wladimir Klitschko boxt an diesem Samstag in Hamburg gegen den Briten David Haye nicht nur um den letzten WM-Gürtel, der seiner Familie noch fehlt. Es ist der größte Schwergewichtskampf seit acht Jahren.

Berlin - Am Ende hat ein Münzwurf entschieden. Das muss man sich mal vorstellen: Heute Abend kommt es im Hamburger Fußballstadion vor mehr als 50 000 Zuschauern und vermutlich 500 Millionen Fernsehzuschauern weltweit zum größten Schwergewichtsboxkampf seit acht Jahren, und das alles hing an einem Münzwurf. Zweimal war der Kampf zwischen dem Briten David Haye und einem der Klitschko-Brüder aus den unterschiedlichsten Gründen geplatzt, heute Abend aber, gegen 22 Uhr 45 (live bei RTL), gilt es. Haye stellt sich, Wladimir, der jüngere Klitschko, hatte die Wahl beim Münzwurf gegen seinen Bruder gewonnen.

Dieser Kampf, auf den so viele so lange warten, weil das Schwergewicht so langweilig geworden ist, hat eine lange Vorgeschichte. Irgendwann im Dezember 2008 zeigte sich Haye auf einer Fotomontage in einem Magazin mit den abgeschlagenen Köpfen der beiden Klitschkos in den Händen. Seit dieser Provokation stritten die beiden Kolosse aus Kiew sich darum, wer von ihnen diesen frechen Burschen vor die Fäuste bekommt. Dass Haye ein Jahr später noch dem russischen Riesen Nikolai Walujew dessen WM-Gürtel nach Version der WBA abknöpfte, machte die Angelegenheit für die Klitschkos nur noch zwingender. Ihr Traum ist es bekanntlich, die Gürtel der vier ernstzunehmenden Weltverbände in den Händen zu halten. Wladimir ist im Besitz der IBF- und WBO-Titel, Bruder Witali ist WBC-Weltmeister. Hayes WBA-Titel ist der einzige Titel außerhalb des Klitschko-Clans. Heute Nacht soll dieser Schönheitsfehler behoben werden.

Haye verglich Klitschko mit einem Esel

Der letzte große Kampf im wichtigsten Limit des Boxens liegt ziemlich genau acht Jahre zurück. Damals unterlag Witali Klitschko in Los Angeles in einem dramatischen Fight dem bis dahin letzten, uneingeschränkten Weltmeister Lennox Lewis. Klitschko hatte den Briten am Rande einer Niederlage, wurde aber – auf den Punktzetteln vorn liegend – wegen schwerer Gesichtsverletzungen an der Fortführung des Kampfes vom Ringarzt gestoppt. Lewis behielt seine Titel.

Nun kommt es also wieder zu einem Kampf, in dem drei WM-Titel auf dem Spiel stehen. Der übertragende Sender RTL rechnet mit 15 Millionen Zuschauern, ein 30-Sekunden-Werbespot kostet 150 000 Euro, der Kampf wird in 150 Länder übertragen, weltweit wird mit einer halben Milliarde Zuschauer gerechnet. So erhofft man sich, dass 25 Millionen Dollar zusammenkommen, die sich beide Boxer unabhängig vom Ausgang teilen.

Der 30 Jahre alte Herausforderer Haye hat in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit ausgelassen, diesen Kampf anzuheizen, zuletzt wählte er folgenden Vergleich: „Wenn wir beide Tiere wären, dann wäre ich ein Leopard und er ein beschissener Esel.“ Der Brite sagte dem „Spiegel“: „Ich überlege mir, wie ich aus einem Kampf ein Drama machen, wie ich Schlagzeilen produzieren kann. Die Leute sollen denken: Wer ist dieser Kerl? Und dann gucken sie sich den Kampf an, weil sie wissen wollen, ob ich was kann. Oder weil sie hoffen, dass ich verprügelt werde.“ Wladimir Klitschko hingegen gab sich weitgehend gelassen. „Ich lasse meine Emotionen außerhalb des Rings. Emotionen im Ring bringen eigentlich nur einen Nachteil. Ich werde meinen Job erledigen und David im Ring bestrafen“, sagte der 35-Jährige dem Tagesspiegel.

Die linke Führhand ist Klitschkos Waffe

Die Vorteile liegen auf seiner Seite. Klitschko ist erfahrener. Von 58 Kämpfen hat er 55 gewonnen, 49 durch Knockout. Haye hat es bisher auf 26 Kämpfe als Profi gebracht, bei 25 Siegen, 23 vorzeitig. Doch seine Erfolge erlangte er in der tieferen Gewichtsklasse, dem Cruisergewicht. Im Schwergewicht sind es gerademal eine Handvoll Kämpfe. Das könnte ein entscheidender Nachteil sein. Haye ist fast einen Kopf kleiner als der Zwei-Meter-Mann Klitschko, er hat deutliche Nachteile in der Reichweite und ist viel leichter als Klitschko. Allerdings, und das ist sein Plus, das sich gegen den langen, aber auch tapsigen Walujew auszahlte: Haye ist schnell, wendig und hat ausreichend Bums in seiner rechten Schlaghand. Vor allem ist er furchtlos. Die Frage wird sein, wie weit ihn seine Tollkühnheit bringt? Wird er Klitschko beeindrucken können?

Wladimir Klitschko ist der Favorit. Die schweren K.-o.-Niederlagen gegen Corrie Sanders (2003) und Lamon Brewster (2004) liegen lange zurück und sollten durch zahlreiche siegreiche Kämpfe danach verarbeitet sein. Allerdings darf Klitschko nicht an der Kinnspitze getroffen werden, sonst könnte er durcheinander geraten. Doch um bis an die Kinnspitze zu kommen, muss Haye dicht genug an Klitschko heran, also ins Risiko, denn er müsste zu diesem Zwecke den linken Jab irgendwie untertauchen. Der Schlag mit der linken Führhand ist Klitschkos stärkste Waffe, mit ihr, die als weltweit beispiellos gilt, hat er die wichtigsten Siege seiner Karriere erboxt. Eigentlich ist der Jab ein klassischer Vorbereitungsschlag für die Schlaghand. Klitschkos Jab aber ist hart und auf Dauer zermürbend. Wenn Haye dagegen kein Mittel findet, ist sein Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Denn sollte Klitschko eine Lücke in der Deckung des Briten finden, um seinerseits eine schwere Rechte anzubringen, kann es übel enden für den bösen Provokateur. Klitschkos Chancen auf Sieg sind jedenfalls günstiger als bei einem Münzwurf.

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