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Sport: Köpfchen gegen Muskelkraft

BERLIN .Der deutsche Dichterfürst Friedrich von Schiller hat den trefflichen Fertigkeiten der Schweizer im Umgang mit Pfeil und Bogen mit seinem Drama "Wilhelm Tell" ein Denkmal gesetzt.

BERLIN .Der deutsche Dichterfürst Friedrich von Schiller hat den trefflichen Fertigkeiten der Schweizer im Umgang mit Pfeil und Bogen mit seinem Drama "Wilhelm Tell" ein Denkmal gesetzt.Inwieweit sich Martina Hingis in der Schule mit Schiller und Tell hat beschäftigen müssen, entzieht sich unserer Kenntnis.Doch wie die derzeit weltbeste Tennnisspielerin ihre verbalen Spitzen abschießt, das ist schon meisterlich.Da präsentiert sie sich, obgleich vor 18 Jahren im slowakischen Kosice geboren, als echte Schwyzer Staatsbürgerin.Auf die Frage, ob sich die weniger als 1,70 m große Tennis-Herrscherin den bodybuilding-gestählten Amerikanerinnen Venus (1,86 m) und Serena (1,79 m) Williams vom Habitus benachteiligt fühle, antwortet die Jung-Millionärin mit spitzen Lippen: "Warum denn? Ich denke, ich habe mehr Köpfchen und kann mich auch besser bewegen.Damit gleiche ich körperliche Nachteile aus." Das hat gesessen haben und dürfte die ohnehin schon angespannte Konkurrenzsituation zwischen dem Hingis-Clan und den beiden Amerikanerinnen noch weiter verschärfen.Mehrfach bereits hat die mitunter kapriziös wirkende "kleine Martina" (den Vornamen hatte ihre Mutter in Anlehnung an Martina Navratilova ausgesucht) zu erkennen gegeben, daß sie vom Powertennis der beiden Amerikanerinnen wenig hält.Und zu deren vollmundigen Sprüchen in der Öffentlichkeit, demnächst im Doppelpack das Geschehen im Proficircuit bestimmen zu wollen, denkt sie sich auch ihren Teil.

Doch auch Martina Hingis hat sich ein ums andere Mal recht vorlaut verhalten, seit sie im März 1997 zum ersten Mal an die Spitze der Weltrangliste rückte."Angst vor Steffi Graf? Nein, ich respektiere das, was sie erreicht hat.Aber ihre Zeit ist vorbei, ihr Spiel nicht mehr variabel genug", hat sie damals verlauten lassen.Eine indirekte Aufforderung zum Rücktritt.Ähnliches ist in Richtung der Alt-Etablierten von Arantxa Sanchez über Conchita Martinez bis Monica Seles gegangen.Als ihr im Vorjahr auch sportlich der Wind kräftig entgegenwehte und Lindsay Davenport mit ihrem schmucklosen Krafttennis den Platz an der Sonne zeitweilig entriß, mäkelte sie an deren Spiel herum.Und dann war da noch diese Bemerkung über Amelie Mauresmo, die Martina Hingis im Anschluß an eine offizielle Pressekonferenz bei den Australian Open fallen ließ und deren Wahrheitsgehalt sie zunächst vehement bestritt: "Die Mauresmo spielt doch fürchterliches Tennis.Die spielt wie ein Mann - wißt ihr eigentlich, daß sie mit ihrer Freundin hier ist?" Ein paar Tage später hat sie sich für diesen verbalen Ausrutscher bei der Französin entschuldigt.

Martina Hingis gewann damals das Finale der Australian Open gegen eben jene Amelie Mauresmo, und seitdem ist sie wieder obenauf.Zuvor war sie nach lustlosen Auftritten von ihrer Mutter und Trainerin Melanie Molitor zu einer Bestandsaufnahme gedängt worden."Entweder du spielst richtig Tennis, oder du kannst aufhören.Halbe Sachen bringen nichts", forderte die energische Mutter.Sie hatte den Aufbruch des Williams-Duos verfolgt und wußte, daß da starke Konkurrenz an die Tür klopfte.

In Berlin verneint die nun wieder brav sich auf Tennis konzentrierende Tochter, daß sie sich durch die neu auf den Plan tretende Herausforderung neu motiviert fühle: "Ich hatte immer Herausforderer, seit ich ganz oben bin, mal Lindsay Davenport, mal Mary Pierce, jetzt sind es eben Serena und Venus." Die beiden sitzen ihr derzeit am härtesten im Nacken.Das bestätigt ein Blick auf eine separate Turnierwertung des laufenden Jahres, in der Venus (1918 Punkte) und Serena (1411) der Schweizerin (2355) auf den Fersen sind."Venus hat schon vier Turniere gewonnen, ich erst drei.Da muß ich was tun."

Daß sie übrigens noch immer die bessere Tennisspielerin sei, das würde sich auch im direkten Vergleich niederschlagen.Da lautet die Bilanz von Martina Hingis gegen Serena 3:1 Siege, gegen Venus 6:3.Hingis kontra Williams könnte der prägende Dreikampf im Damentennis werden.

ERNST PODESWA

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